Lösegeld Für Einen Toten
nächsten Morgen nach der Prim - der Morgen war grauer als der des letzten Tages - zog Cadfael sich Stiefel und Mantel an und ging durch die Stadt zu den Burgwällen hinauf, wo die Pferde seiner Eskorte gesattelt bereitstanden. Die Männer erwarteten ihn schon. Er kannte sie alle, sogar den Jungen, den Hugh als vorläufige Geisel für den gewünschten Gefangenen vorgesehen hatte, falls alles gutging. Er nahm sich einen Augenblick Zeit, um sich von Elis zu verabschieden, der zu dieser frühen Stunde verschlafen und etwas mürrisch in seiner Zelle hockte.
»Wünscht mir Glück, mein Junge, denn ich reite fort, um zu sehen, ob ein Austausch möglich ist. Mit etwas gutem Willen und einem Quentchen Glück könnt Ihr in wenigen Wochen schon auf dem Heimweg sein. Ihr werdet sicher mächtig froh sein, wenn Ihr als freier Mann in Euer Heimatland zurückkehrt.«
Elis pflichtete ihm bei, da dies offensichtlich erwartet wurde, doch die Zustimmung klang halbherzig. »Aber es ist doch noch nicht sicher, ob Euer Sheriff wirklich dort ist und befreit werden kann? Und selbst wenn er dort ist, könnte es einige Zeit dauern, bis er gefunden und aus Cadwaladrs Händen genommen wird.«
»In diesem Falle«, erwiderte Cadfael, »müßt Ihr Eure Seele in Geduld üben und eine Weile unser Gefangener bleiben.«
»Wenn ich muß, dann kann ich auch«, stimmte Elis zu, was für einen jungen Mann, der bisher nicht allzu erfolgreich darin gewesen war, seine Seele in Geduld zu üben, etwas zu freudig und bereitwillig klang. »Ich hoffe sehr, daß Ihr sicher reist und gut zurückkehrt«, fügte er pflichtbewußt hinzu.
»Und benehmt Euch, während ich in Euren Angelegenheiten unterwegs bin«, riet Cadfael ihm resigniert und wandte sich zum Gehen. »Falls ich ihm begegne, werde ich Eurem Ziehbruder Eliud Eure Grüße übermitteln und ihm sagen, daß Ihr nicht zu Schaden gekommen seid.«
Elis nahm dieses Angebot freudig an, versäumte es jedoch gröblich, einen weiteren Namen zu erwähnen, der angemessenerweise mit dieser Botschaft hätte verbunden werden müssen. Und Cadfael vermied es, ihn von sich aus zu erwähnen. Er war schon an der Tür, als Elis ihm plötzlich noch nachrief: »Bruder Cadfael...«
»Ja?« sagte Cadfael und wandte sich um.
»Diese Dame... die wir gestern sahen, des Sheriffs Tochter...«
»Was ist mit ihr?«
»Ist sie schon versprochen?«
Also..., dachte Cadfael, während er, sich seines Auftrags bewußt, aufs Pferd stieg und seinen Trupp leichtbewaffneter Männer um sich sammelte. Aus den Augen, aus dem Sinn; so wird es zweifellos sein. Und sie hat kein Wort mit ihm gesprochen und wird es vermutlich auch niemals tun. Sobald er zu Hause ist, wird er sie vergessen. Hätte sie nicht dieses silberhelle Haar, so ganz anders als die schlanken, dunklen walisischen Mädchen, hätte er sie vielleicht nicht einmal bemerkt.
Cadfael hatte die Frage Elis' vorsichtshalber ausweichend beantwortet und gesagt, daß er nicht wisse, welche Pläne der Sheriff für seine Tochter habe; er verkniff sich gerade noch die ernste Warnung, die ihm auf der Zunge lag. Energiegeladen, wie der Junge war, hätte ihn jede Behinderung nur entschlossener gemacht. Doch ohne große Widerstände würde er vielleicht das Interesse verlieren. Gewiß besaß das Mädchen eine fast überirdische Schönheit, die um so anziehender wirkte, da sie nun mit dem Kummer und der Sorge um das Schicksal ihres Vaters verbunden war. Wenn die Mission nur erfolgreich verlief..., und je eher, desto besser!
Sie verließen Shrewsbury über die Walisische Brücke und kamen auf den ersten Etappen ihres Weges in nordwestlicher Richtung nach Oswestry rasch voran.
Sybilla, Lady Prestcote, war zwanzig Jahre jünger als ihr Gatte und eine hübsche, einfache Frau mit rundum den allerbesten Absichten. Sie war vor allem deshalb bemerkenswert, weil sie getan hatte, was die erste Frau des Sheriffs versäumt hatte: Sie hatte ihm einen Sohn geboren. Der junge Gilbert, Augapfel seines Vaters und Herzblatt seiner Mutter, war jetzt sieben Jahre alt. Melicent fühlte sich geduldet, aber vernachlässigt, doch die Liebe zu ihrem ausgesprochen hübschen kleinen Bruder ließ keine Abneigung zu. Ein Stammhalter ist eben ein Stammhalter, und eine Tochter steht in seinem Schatten.
Obwohl mit viel Umsicht behaglich eingerichtet, blieben die Gemächer im Burgturm kalt, zugig und klamm und waren nicht der rechte Ort für eine junge Familie; in der Tat war es außergewöhnlich, daß Sybilla mit ihrem
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