Lösegeld Für Einen Toten
Verwundeten pflegte, hatte er keine Gelegenheit gefunden, die Botschaft zu überbringen, die Cristina ihm anvertraut hatte. Jetzt, nach Eliuds Geständnis, war er unschlüssig, ob er es überhaupt noch tun sollte, oder ob das nicht der grausamste Schlag wäre, der Eliud überhaupt versetzt werden konnte.
»Dieses Mädchen in Tregeiriog - das Mädchen, dessentwegen er sich so verrannt hat - trug mir eine Botschaft für ihn auf, und ich versprach ihr, sie ihm zu übermitteln. Aber nun, mit dieser Bedrohung, die über ihm schwebt... Ist es recht, ihm einen Grund zum Leben zu geben, nachdem er sein Leben verwirkt hat? Sollen wir ihm die Welt, aus der er zu scheiden bereit ist, tausendmal erstrebenswerter machen?«
Er erzählte ihr Wort für Wort, welcher Art die Botschaft war. Sie dachte nach, aber nicht sehr lange. »Ihr habt kaum eine Wahl, wenn Ihr es dem Mädchen versprochen habt. Und die Wahrheit sollte nie als schädlich gefürchtet werden.
Außerdem ist er nach allem, was ich sehe, zum Sterben bereit, während sein Körper zum Leben entschlossen ist, und ohne einen rechten Antrieb mag er den Kampf über seinen Körper gewinnen, das Gesicht zur Wand drehen und davongleiten.
Was vielleicht nicht schlecht ist, wenn die einzige Wahl der Galgen ist. Aber wenn - ich sage wenn! - es Milde gibt und er leben darf, dann wäre es eine Schande, ihm nicht jedes Rüstzeug und jede Waffe zu verschaffen, damit er überleben kann.« Sie wandte den Kopf und sah ihn wieder mit dem tiefen, seltsamen Blick an, den er schon zuvor bemerkt hatte. Dann lächelte sie. »Es ist das Risiko wert«, sagte sie.
»Das beginne ich auch zu glauben«, meinte Cadfael und ging hinein, um seinen Einsatz zu wagen.
Man hatte Elis' Liege noch nicht in die Nachbarzelle gebracht; Eliud war noch allein. Manchmal, wenn Cadfael bedachte, welchen Weg der Pfeil durch die rechte Schulter genommen hatte, bezweifelte er, ob Eliud je wieder einen Bogen spannen oder in ferner Zukunft ein Schwert halten konnte. Aber das war im Augenblick seine kleinste Sorge. Sollte er zum Ausgleich ein Versprechen auf das höchste Glück erhalten.
Cadfael setzte sich neben das Bett und erzählte ihm, daß Elis um Erlaubnis gebeten hatte, in seine Kammer verlegt zu werden und daß dem Wunsch entsprochen worden sei. Das brachte eine seltsame, verlorene Freude in Eliuds schmales, verletzliches Gesicht. Cadfael vermied es jedoch, ein Wort über Elis' unmittelbar bevorstehende Abreise zu verlieren und überlegte einen Augenblick, warum er diese Angelegenheit für sich behielt; doch sogleich erkannte er, daß es besser war, sich nicht zu wundern und noch weniger zu fragen. Unschuld ist ein unendlich zerbrechliches Ding, und Gedanken können sie manchmal verletzen und sogar zerstören.
»Es gibt eine Botschaft, die ich Euch zu übermitteln versprach und zu der ich bis jetzt noch nicht die richtige Gelegenheit fand. Sie kommt von Cristina, die sie mir auftrug, als ich Tregeiriog verließ.« Bei ihrem Namen wurde Eliuds Gesicht zu einer bleichen, besorgten Maske, während seine Augen sich plötzlich erweiterten. »Cristina läßt Euch durch mich sagen, daß sie mit ihrem eigenen und Eurem Vater gesprochen hat und übereingekommen ist, daß sie in Kürze eine freie Frau sein wird, die sich dem schenken kann, den sie will. Und sie will sich niemand anderem als Euch geben.«
Ein Sturzbach überspülte das Funkeln in Eliuds Augen.
Seine gesunde linke Hand tastete lahm nach irgend etwas Menschlichem, das er zum Trost festhalten konnte, und schloß sich gierig um die Hand, die Cadfael ihm reichte. Er zog sie an sein zitterndes Gesicht und tiefer hinunter auf sein aufgeregt schlagendes Herz. Cadfael gab ihm eine Weile Zeit, bis der Sturm abgeflaut war. Als der Junge wieder ruhig war, zog er sanft die Hand zurück.
»Aber sie weiß doch nicht«, flüsterte Eliud elend, »was ich... was ich getan habe...«
»Was sie von Euch weiß ist alles, was sie wissen muß: nämlich, daß sie Euch liebt wie Ihr sie liebt, und daß es niemals einen anderen geben kann. Ich glaube nicht, daß Schuld oder Unschuld, Gut oder Böse Cristinas Gefühle für Euch verändern können. Mein Junge, nach der üblichen Lebenserwartung eines Mannes habt Ihr mindestens noch dreißig Jahre vor Euch, und das ist genug Raum für Ehe, Kinder, Ruhm, Sühne und Heiligkeit. Was getan ist, spielt eine Rolle, aber was noch zu tun wäre, ist weit wichtiger. Cristina weiß um diese Wahrheit.
Wenn sie alles erfährt, wird sie
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