Lösegeld Für Einen Toten
ihm hoch anrechnen.«
»Gott weiß«, sagte Melicent, während sie die Hände vor das bleiche Gesicht schlug, als wollte sie ihren Verstand beisammen halten, »für welche Seite ich sprechen soll, da ich so zerrissen bin. Alles, was ich weiß, ist, daß Eliud nicht allein die Schuld trägt. Wer von uns ist in dieser Angelegenheit schon unschuldig?«
»Du bist es!« sagte Elis grimmig. »Wo hättest du gefehlt?
Aber wenn ich etwas nachgedacht und wenn ich gesehen hätte, wie die Dinge zwischen ihm und Cristina standen... Ich war zu oberflächlich, zu unbekümmert, zu sehr in mich selbst verliebt, um darauf zu achten. Ich hatte nicht einmal von einer solchen Liebe geträumt, ich wußte es nicht... Ich habe so viel zu lernen.«
»Wenn ich nur stärker an mich selbst und meinen Vater geglaubt hätte«, sagte Melicent, »dann hätten wir in aller Ehrlichkeit eine Nachricht nach Wales zu Owain Gwynedd und zu meinem Vater schicken können, daß wir uns liebten und die Erlaubnis zur Heirat erbaten...«
»Wenn ich nur genauso rasch erkannt hätte, was Eliud Kummer machte, während er stets versuchte, alle Sorgen von mir fernzuhalten...«
»Wenn wir alle niemals versagten oder vom rechten Weg abkämen«, meinte Cadfael traurig, »dann wäre in dieser großartigen Welt alles gut, aber wir straucheln und fallen, jeder von uns. Wir müssen uns mit dem abfinden, was wir haben. Er tat es, und wir alle müssen die Bitterkeit teilen.«
Nach einem ängstlichen Schweigen fragte Elis: »Was wird aus ihm werden? Wird es Gnade geben? Er muß doch nicht sterben?«
»Das liegt beim Gesetz, und vor dem Gesetz hat mein Wort kein Gewicht.«
»Melicent erbarmte sich meiner«, sagte Elis, »bevor sie noch erfuhr, daß ich nicht das Blut ihres Vaters an den Händen habe...«
»Ah, aber ich wußte es!« sagte sie rasch. »Mein Geist war verwirrt, als ich zweifelte.«
»Und ich liebte sie um so mehr dafür. Und Eliud hat gestanden, als kein Mensch ihn anklagte, und das muß ihm hoch angerechnet werden, wie Ihr sagtet, und es spricht für ihn.«
»Das und alles andere, was für ihn spricht«, erwiderte Cadfael energisch, »soll zu seiner Verteidigung vorgebracht werden. Dafür werde ich sorgen.«
»Aber Ihr habt keine Hoffnung«, sagte Elis unverblümt, während er mit scharfen Augen den Mönch beobachtete.
Er hätte es gern geleugnet, aber es war sinnlos, nachdem Eliud selbst resigniert und demütig den unausweichlichen Tod hingenommen und begrüßt hatte. Cadfael tröstete sie, soweit er konnte, ohne zu lügen, und ließ sie dann allein. Sein letzter Blick, bevor er die Tür schloß, fiel auf die beiden gefaßten, besorgten Gesichter, die ihm mit ruhigem, verschleiertem Blick nachsahen, die Gedanken verschlossen und verriegelt. Nur die grimmige Allianz zweier Hände, die auf dem Tuch verschränkt waren, verriet sie.
Hugh Beringar kam am nächsten Tag in großer Eile und lauschte in düsterem Schweigen, während Eliud sich mit verzweifelter Geduld ein zweites Mal durch die Geschichte kämpfte, wie er es bereits für den alten Priester getan hatte, der für die Schwestern die Messe las. Während Eliuds Seele demütig auf den Rückzug aus der Welt gerichtet war, bemerkte Cadfael, wie der zerschundene Körper zu heilen begann und sehr langsam zur Ruhe kam, obwohl der Junge jenseits jeden Zweifels war. Sein Geist hatte sich aufs Sterben eingestellt, sein Körper war entschlossen zu leben. Die Wunden waren gesäubert, seine Jugend und seine großartige Gesundheit kämpften schwer, und wer konnte sagen, ob sie für oder gegen ihn kämpften.
»Nun, ich höre«, sagte Hugh besorgt, während er mit Cadfael am Bachufer entlangschritt. »Sagt, was Ihr zu sagen habt.« Cadfael hatte sein Gesicht noch nie so bekümmert gesehen.
»Er hat, sobald er sich dem Tode nahe glaubte, freiwillig ein volles Geständnis abgelegt«, sagte Cadfael. »Er wollte in verzweifelter Eile allen Gerechtigkeit antun, nicht nur Elis, die seinetwegen unter dem Schatten eines Verdachtes leben könnten. Ihr kennt mich, ich kenne Euch. Ich sage Euch aufrichtig, daß ich drauf und dran war, ihm zu sagen, daß ich wußte, daß er getötet hatte. Ich schwöre Euch, daß er mir die Worte geradezu aus dem Munde nahm. Er wollte gestehen, er wollte Buße und Absolution. Und vor allem wollte er die Bedrohung von Elis und jedem anderen nehmen, der verdächtigt werden mochte.«
»Ich nehme Euch beim Wort«, entgegnete Hugh, »und das will etwas heißen. Aber reicht das? Es war
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