Loewenstern
Das ist der feinste der Welt. Warum müssen wir japanesischen Tee in China teuer kaufen und holen ihn nicht gleich an der Quelle?
Weil wir jetzt erst ins Bett gehen, entschied Dawydow.
Aber Chwostow konnte sich noch nicht losreißen. In seinen Augen erschien ein versonnener Ausdruck.
Die Holländer! murmelte er. Sie haben das Monopol für den Japanhandel. Aber wer sind die Holländer? Nichts als eine französische Provinz. Vielleicht haben die Japanesen noch gar nicht bemerkt, daß Holland nicht mehr existiert. Die Welt starrt nur auf Napoleon. Jetzt muß man sich Japan kaufen. Genau der Moment! Das muß Resanow wissen!
Er weiß es, Kolja, begütigte Dawydow, wir schlafen drüber, und morgen reden wir weiter. – Und nach einer Verbeugung, die ihm Chwostow, nach einem sanften Puff, nachtat, zog er ihn am Tresen vorbei zur Tür.
Als die Freunde wieder allein waren, rief Rikord den Barmann und fragte, ob er japanesischen Tee habe. Und da im
Unicorn
kein Ding unmöglich war, saßen sie bald vor zwei Tassen Grüntee, dessen sanfte Bitterkeit zum Ausklang des Abends stimmte. Den Schlaf, um den sie gekommen waren, konnten sie in der Akademie nachholen. Aber sie hatten kaum ihre Tassen abgesetzt, als ein Mensch zu ihnen trat, den sie ganz vergessen hatten. Es war der weißblonde Leser im Räuberzivil.
4 Löwenstern, stellte er sich vor, Ermolai, eigentlich Hermann Ludwig, denn ich bin Estländer deutscher Muttersprache, was Sie meinem Russisch anhören. Was Sie mir kaum noch ansehen: ich bin auch Leutnant der russischen Marine. Und was Sie mit Recht vergessen haben: auch ich habe die Kadettenanstalt gekostet, bis zur Neige, in der Klasse Chwostows und Dawydows. Sie haben mich nicht wiedererkannt – es ist mir, offen gesagt, auch lieber so. Aber Sie, Wassili Michailowitsch, könnten sich erinnern, daß ich beinahe Ihre Stiefel geputzt hätte – es wäre mir eine Ehre gewesen. Aber ich habe Ihre Bedingung nicht erfüllt.
Welche Bedingung? fragte Golownin.
Daß Sie danach die meinen putzten. Unmöglich. Dafür standen Sie zu hoch.
Trinken Sie einen Tee mit? fragte Golownin.
Grüntee immer, sagte Löwenstern.
Wie kommen Sie ins
Unicorn
? fragte Golownin.
Ihretwegen.
Bespitzeln Sie uns? fragte Rikord.
Ja, aber nur in eigener Sache, sagte Löwenstern. – Ich schreibe.
Sie sind Schriftsteller? fragte Rikord.
Ich würde mich übernehmen, wenn ich die Frage bejahte, aber müßte lügen, wenn ich sie nun verneinte. Ich habe einen Stoff und glaube, daß Sie dazu passen – Sie
beide
. Denn ich habe mich damit abgefunden, daß Sie, Wassili Michailowitsch, nicht allein zu haben sind.
Es scheint Sie Überwindung gekostet zu haben, sagte Rikord.
Meine Hauptfigur ist nun einmal ein ganzer Russe, und da gibt es keine bessere Besetzung als Golownin – pardon. Mit einem
italienischen
Russen hatte ich nicht gerechnet, obwohl mir sein Witz gebührend imponiert. Aber ich wußte nicht, ob ich mich an seine Rhetorik gewöhnen würde – oder an seine Malice.
Sie sind auch eher beredt, sagte Rikord.
Ich will’s als Kompliment nehmen, sagte Löwenstern. – Ich störe Ihre Ruhe, die Sie nach dem Auftritt eben wahrlich verdient haben. Aber ich störe nicht lange.
Da Sie schon angefangen haben, sagte Rikord, dürfen Sie nicht gleich aufgeben. Also: wer sind Sie?
Da fragen Sie gleich zuviel, aber ich fange mal so an: ich komme eben aus Paris. Dahin wurde ich vor drei Jahren noch vom seligen Zaren Paul – geschickt? wohl eher entlassen. Er haßte die Franzosen, aber es war gerade die Zeit, wo er die Briten strafen mußte, weil sie ihm seine Lieblingsinsel weggenommen hatten – Malta, nachdem er grade Großmeister des Malteserordens geworden war; Sie kannten ja seine Vorliebe für Kostüme. Nun, Paris ist für keinen Menschen von Welt eine Strafe. Ich habe mich beeilt, sie anzutreten, bevor Pawels Winde wieder kehrten. Damals besaß ich auch noch ein komplettes Ehrenkleid. Sie sehen, daß es abgeblättert ist. Mein Urlaub wurde strapaziös, nachdem ihn Alexander nach dem Ableben seines Vaters – nennen wir es:
plötzlich
– zu widerrufen vergaß. Inzwischen bin ich wo nicht abgedankt, so doch abgebrannt. Wie käme ich sonst auf die Idee, mein Glück als freier Skribent zu suchen? Schreiben ist nie ein Glück – außer bei Vorbildern, die einem zeigen können, was es bedeutet. Aber dann sollte man Leser bleiben, und nichts als Leser.
Wir haben Sie lesen sehen, sagte Rikord, und zwar so ausdauernd, daß wir einen
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