London Road - Geheime Leidenschaft
die ihr Geld mit Haustürgeschäften verdienen. Er hatte lange Arbeitszeiten, und anfangs dachte ich, dass dies für unsere Beziehung nur von Vorteil sein konnte, doch das erwies sich rasch als Irrtum. Joss glaubte nach wie vor, Steven hätte sich von mir getrennt, weil ich aufgrund meiner familiären Verpflichtungen nicht flexibel genug war. In Wahrheit hatte ich Steven an die Luft gesetzt. Er war noch unausstehlicher gewesen als Tim. In seinen Augen war ich vollkommen wertlos. Seine ständigen Kommentare über meine Nutzlosigkeit weckten zu viele schmerzhafte Erinnerungen in mir, und obwohl ich selbst der Überzeugung war, dass ich – abgesehen von meinem Äußeren – nicht viel zu bieten hatte, war ich doch klug genug zu erkennen, dass es Zeit ist, einen Schlussstrich zu ziehen, wenn der eigene Freund mit einem spricht, als sei man ein bezahltes Callgirl.
Ich ließ mir einiges gefallen, doch selbst ich hatte meine Grenzen, und je älter ich wurde, desto enger zog ich sie.
Aber Malcolm war anders. Er war mir gegenüber nie herablassend, und bis jetzt lief unsere Beziehung wirklich ausgezeichnet.
»Wo steckt der Glückspilz denn eigentlich?«
Ich schaute mich suchend um. Den Sarkasmus in Joss’ Tonfall ignorierte ich. »Keine Ahnung.«
Mit Malcolm hatte ich buchstäblich das große Los gezogen. Er war eigentlich Anwalt, hatte aber vor drei Jahren den Jackpot beim Lotto geknackt und seinen Job – oder vielmehr: seine Karriere – an den Nagel gehängt, um sein neues Leben als Millionär zu genießen. Da er es nicht gewohnt war, untätig herumzusitzen, hatte er beschlossen, ins Immobiliengeschäft einzusteigen; mittlerweile besaß er eine beträchtliche Anzahl von Mietshäusern.
Wir befanden uns in einem alten Backsteingebäude, das von außen mit seinen aus unzähligen schmutzigen Rechteckscheiben bestehenden Fenstern eher an eine Lagerhalle als an eine Kunstgalerie erinnerte. Drinnen jedoch herrschte eine gänzlich andere Atmosphäre. Glänzende Holzböden, spektakuläre Beleuchtung und mobile Trennwände bildeten die ideale Kulisse für eine Kunstgalerie. Malcolm hatte sich ein Jahr vor seinem Lottogewinn scheiden lassen, aber ein attraktiver, wohlhabender Mann wie er zog natürlich scharenweise Frauen an. So hatte er auch Becca kennengelernt, eine geschäftstüchtige sechsundzwanzigjährige Künstlerin aus Irland. Sie waren nur ein paar Monate zusammen gewesen und nach ihrer Trennung gute Freunde geblieben. Malcolm hatte in ihre Karriere investiert, indem er ein paar Blocks entfernt von meiner alten Wohnung in Leith Galerieräume für sie angemietet hatte.
Das Ambiente und die Präsentation der Bilder waren wirklich beeindruckend – selbst wenn ich keinen blassen Schimmer hatte, was die Künstlerin mit ihren Werken sagen wollte.
Malcolm war es gelungen, mehrere private Sammler auf die Vernissage zu locken, und zum Glück wussten die mit Beccas Arbeiten mehr anzufangen als ich. Malcolm und ich hatten kaum die Galerie betreten, da stand ich auch schon ohne Begleiter da. Becca war in Metallic-Leggings und Oversized-Pulli auf uns zugestürzt, dass ihre nackten Füße auf dem eiskalten Holzboden nur so klatschten. Sie hatte mir ein gestresstes Lächeln zugeworfen, sich dann sofort Malcolm geschnappt und ihm befohlen, sie den Gästen vorzustellen. Also war ich auf eigene Faust durch die Räume gestreift und hatte versucht zu entscheiden, ob ich tatsächlich keine Ahnung von Kunst hatte oder diese hier ganz einfach scheußlich war.
»Ich dachte, wir könnten vielleicht eins für die Wohnung kaufen, aber …« Braden stieß einen leisen Pfiff aus, als er das Preisschild neben dem Bild sah, vor dem wir gerade standen. »Ich habe da so eine Regel: Wenn ich Mist kaufe, zahle ich grundsätzlich nicht mehr, als er wert ist.«
Joss verkniff sich ein Lachen und drückte ihre Zustimmung durch heftiges Nicken aus. Da ich es für besser hielt, das Thema zu wechseln, bevor sich die beiden gegenseitig zu noch größeren Unhöflichkeiten anstachelten, fragte ich: »Wo sind denn Ellie und Adam?«
Ellie war ein absolutes Goldstück und besaß die Gabe, allem etwas Positives abzugewinnen. Außerdem hatte sie einen mäßigenden Einfluss auf die spitzen Zungen ihrer besten Freundin und ihres Bruders, was auch der Grund war, weshalb ich sie ausdrücklich mit eingeladen hatte.
»Die wollten heute Abend lieber zu Hause bleiben«, antwortete Joss so ernst, dass ich mir sofort Sorgen machte. »Sie hat heute die Ergebnisse von
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