Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
Vom Netzwerk:
feuchte Gras, umklammerte meine gebrochenen Fingerknöchel und fing an zu weinen.

Epilog
    Es war fast drei Uhr morgens, als ich nach Deptford zurückkam. Ich wollte nicht zurück in die Wohnung, aber ich brauchte meinen Laptop und noch einigen anderen Kram. Ich wünschte mich in die sichere Wohnung, mehr als alles andere, um dort zu schlafen, eine Woche lang.
    Mir war, als wäre etwas vorbei, aber das brachte mir keine Befriedigung, kein Gefühl der Erleichterung. Auf seltsame Art tat es mir leid wegen Tommy Kelly. Ich hatte ihm nicht wehtun wollen. In meinem Kopf waren die väterliche Gestalt, die mich aufgenommen hatte, und der mörderische Straßenkämpfer, der mir das halbe Ohr abgebissen hatte, zwei verschiedene Menschen.
    Ich schloss die Tür auf und steuerte direkt den Kühlschrank an, um mir ein Bier zu holen. Damit ging ich ins Wohnzimmer und knipste die Schreibtischlampe an. Es gab einen lauten Knall, und mein erster Gedanke war, dass die Glühbirne durchgebrannt sein und einen Kurzschluss ausgelöst haben musste. Aber die Wucht, die mich in den Rücken traf und mich herumschleuderte, war gewaltiger als das.
    Es war eine Kugel.
    Als ich zu Boden ging, sah ich, dass Donnie Mulvaney sie abgefeuert hatte. Ich ging in die Knie und legte die Hände auf meinen Bauch. Zwischen meinen Fingern pumpte das Blut hervor. Wieder feuerte er und ich spürte einen Hammerschlag gegen meine Brust, der mich rückwärts umhaute, flach auf den Boden. Ich hörte, wie eine Tür zuschlug.
    Dann war ich weg.
    Ich merkte, wie ich bewegt wurde, ganz vorsichtig. Meine Lider flatterten kurz und ich hörte eine Stimme, wie ganz aus der Ferne. »Eddie. Bleib bei mir, Eddie, wir versuchen, dich wegzubringen.«
    Ich spürte eine Hand auf meinem Gesicht. Roch etwas Vertrautes. Ich versuchte, mich zu konzentrieren.
    Anna.
    »Bleib bei mir. Ich kümmere mich um dich«, sagte sie. »Hör mir zu. Bleib bei mir, Eddie.«
    Ich versuchte es, aber ihre Stimme wurde schwächer und ihr Gesicht löste sich im Nichts auf.
    Wurde schwarz.
     
    Ich schlug die Augen auf. Weiße Zimmerdecke. Kacheln. Ich blinzelte und blickte um mich. Ein Krankenhauszimmer. Eine Pflegerin beugte sich über mich, um nach mir zu sehen.
    »Sie sind wach«, kommentierte sie das Offensichtliche. Ich versuchte, es ihr zu bestätigen, aber es kamen keine Worte raus. Jede Bewegung schmerzte. Und weg war sie.
    Eine Weile später ging die Zimmertür auf und herein kam Tony Morris. Er wirkte angespannt, aber als er mich wach sah, lächelte er. »Hallo, mein Sohn. Wie fühlst du dich?«
    Wieder versuchte ich zu sprechen, wieder vergeblich. Ich hob die Hand und tastete nach meinem Hals. Ein Schlauch half mir beim Atmen. Ich hielt mir die Hand vors Gesicht und sah, dass eine Menge Kanülen in ihr steckten.
    »Keine Sorge, Eddie«, sagte Tony. »Der Schlauch kommt bald raus. Mit dir geht’s aufwärts.« Ich musste verwirrt dreingeblickt haben, denn er zog einen Infusionsständer näher an mein Bett. Daran baumelte eine durchsichtige Plastikflasche, halb gefüllt mit einer schaumigen roten Flüssigkeit.
    »Das ist eine Lungendrainage«, erklärte Tony. »Man hat dir in den Magen und die Lunge geschossen. Ein paar Rippen sind gebrochen, aber du wirst wieder.«
    Ich sank zurück und schloss die Augen. Als ich ein paar Stunden später wieder aufwachte, war Tony noch immer da. Und Ian Baylis. Er beugte sich über mein Bett und ich betrachtete sein schmales Gesicht von der Seite.
    »Gut gemacht, Eddie«, sagte er. »Du hast es ordentlich hinbekommen und die tolle Nachricht lautet: Du überlebst. Wir werden noch genug Zeit haben, alles durchzusprechen, wenn du wieder auf den Beinen bist, aber da gibt’s was, das du schon jetzt wissen solltest, glaub ich. Wir haben versucht, dich   … tja, dich noch ein bisschen besser zu schützen. Deshalb haben wir durchsickern lassen, dass sie erfolgreich waren. Es war nötig, dich aus der Schusslinie zu räumen, aus Angst vor Racheakten.«
    Ich schloss die Augen und versuchte, seine Worte in mein drogenumnebeltes Hirn einsickern zu lassen. Erfolgreich? Racheakte? Ich war
immer
noch nicht in Sicherheit? Wie verwirrend.
    Ich schlug die Augen auf und sah ihn wieder an. Es war wie in einem seltsamen Traum, der durch mein morphiumgeschwängertes Blut noch viel seltsamer wurde. Ich wollte mich aufrichten, aber der Schmerz ließ es nicht zu. Ich wollte etwas sagen, aber ich konnte nicht. Baylis tätschelte mir die Schulter, beugte sich noch weiter zu mir

Weitere Kostenlose Bücher