Long Tunnel. Ein Roman des Homanx- Zyklus.
ihm und seinen ungeborenen Testgefährten zu erreichen gehofft? Wären sie heute stolz auf ihn, oder wären sie von ihm enttäuscht, wie sie es offensichtlich von allen anderen waren? Oder wären sie ganz einfach nur neugierig, total unberührt und gleichgültig? Diese Frage blieb rein spekulativer Natur, da sie längst tot oder hirngelöscht waren.
Nun, ihr Produkt bereitete sich darauf vor, ein eigenes Leben aufzubauen, unabhängig und unbeobachtet. Er war bereits kreuz und quer durch das Commonwealth gereist in dem Bemühen, seine natürlichen Eltern zu finden, um schließlich zu erfahren, daß seine Mutter tot und die Identität seines Vaters ein Geheimnis war, welches sich im Dunst und den Gerüchten verlor, die seine Herkunft umgaben.
Dieser Drang zu wissen, hatte ihn mehrere Jahre umgetrieben. Nun lag das hinter ihm. Wenn er jemals die Wahrheit über seine Herkunft erfahren wollte, dann müßte er sie aus irgendeinem Computerchip herausholen, der irgendwo außerhalb des menschlichen Lebensbereichs versteckt war. Es wurde Zeit, die Geschichte hinter sich zu lassen und sich der Zukunft zuzuwenden, die sich wahrscheinlich als genauso kompliziert erweisen würde wie seine Vergangenheit.
Dennoch betrachtete er sich selbst als vom Glück begünstigt. Während seine unkontrollierbaren Talente ihn häufig in Schwierigkeiten gebracht hatten, hatten sie ihm jedoch auch geholfen, ihn davor zu bewahren oder daraus zu befreien. Er hatte die Gelegenheit gehabt, einige einzigartige Individuen kennenzulernen: Bran Tse-Mallory und Truzenzuzex, Lauren Walder und andere, die nicht so angenehm waren. Und dann waren da die Ujurrier. Er ertappte sich bei der Frage, welche Fortschritte ihr Tunnelbau wohl machte. Dann die Aann, natürlich, die gegen die Humanxheit intrigierten und Komplotte schmiedeten, stets nach einer Schwäche suchten, Ausschau hielten nach einer Öffnung, beobachteten und warteten und sich auszubreiten hofften, wann immer das Commonwealth schwach oder unschlüssig erschien.
Seine Gedanken gerieten ins Taumeln, irrten umher, aber er konnte nichts dagegen tun. Der Kriecher lenkte sich im großen und ganzen selbst, und nun, da er getan hatte, weshalb er hergekommen war, fühlte er sich entspannt und erleichtert. Er konnte sich vorstellen, wie er selbst ein zurückgezogen lebender Mystiker wurde, der alte Eremit der Handelslinien, der kreuz und quer durch das Commonwealth zog und sogar in jenem wundervollen Schiff zu den äußersten Grenzen vordrang, das die Ujurrier für ihn gebaut hatten. Die Teacher. Das war es, wie sie ihn nannten. Lehrer. Ein Paradoxon, denn je mehr er lernte, desto unwissender kam er sich vor.
Truzenzuzex hätte das wahrscheinlich als Zeichen für zunehmende Reife interpretiert. Er war ein Schüler, kein Lehrer, und interessierte sich brennend für alles um ihn herum: Leute und Orte, Zivilisationen und Individuen. Er hatte Bruchstücke großer Geheimnisse und Rätsel kennengelernt. Abalamahalamatandra, der nicht der Überlebende einer uralten Rasse war, sondern statt dessen ein biomechanischer Schlüssel, mit dem ein furchtbares Gebilde in Gang gesetzt werden konnte. Die Kräng, die radikalste Waffe der längst verschwundenen Tar-Aiym, deren seltsame mechomentalen Störungen nach all den Jahren immer noch durch seinen Geist hallten. Soviel hatte er gesehen, und soviel gab es für ihn noch zu erfahren und zu besuchen. Soviel, das er verstehen wollte.
Intelligenz war eine schreckliche Last.
Er zuckte zusammen, der Kriecher blieb stehen, als er den Beschleunigungshebel losließ. Pips Kopf erhob sich jäh von dem Sitz, auf dem sie sich zusammengerollt hatte, und Scraps kleine Flügel flatterten nervös, als Flinx beide Hände gegen den Kopf preßte. Die Kopfschmerzen wurden schlimmer. Er hatte sie schon immer gehabt, aber während des vergangenen Jahres waren sie zu einem ständigen Begleiter geworden und machten sich nun häufig und immer öfter bemerkbar.
Ein weiterer Grund, dauerhaften Beziehungen aus dem Weg zu gehen. Es war durchaus möglich, hatte er sich in seinen düsteren Augenblicken klargemacht, daß er nur ein weiteres fehlgeschlagenes Experiment darstellte, und er hatte kein Interesse daran, jemand anderen mit sich in den Untergang zu ziehen. Er hatte es ganz einfach geschafft, etwas länger am Leben zu bleiben als die übrigen spektakulären Fehlschläge. Wirklich beängstigend war die Tatsache, daß in den medizinischen Texten der Unterschied zwischen Kopfschmerzen und einem
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