Lord Garrows widerspenstige Braut
eine echte Londoner Lady", meinte James schließlich.
Miranda brauchte einen Moment, bis sie die Doppeldeutigkeit seines Kompliments erfasste. Alle am Tisch wussten, dass sie wie eine Lady gekleidet war – aber keine war. Ihr stolzes Lächeln wirkte seit diesem Zeitpunkt leicht gehässig, so als ob sie wusste, dass sie sich bald an James würde rächen können.
Mr. Fowler wurde immer überschwänglicher. "Ja, denn Miranda ist in den höchsten Kreisen bekannt. Alle, die sie kennen, schätzen sie sehr. Sogar die Duchess of Runesbury lädt dich Jahr um Jahr ein, nicht wahr, Miranda? Ich glaube, sie hat eine hohe Meinung von dir."
Susanna hätte sich bei diesen Worten beinahe verschluckt. Sie hustete und biss sich auf die Zunge, um die Worte zurückzuhalten, die ihr fast über die Lippen gekommen wären. Jeder von Rang wusste, dass die Duchess, von der Mr. Fowler sprach, lediglich eine schwerreiche Kaufmannstochter war, die sich einen ältlichen Duke geangelt hatte, der gesellschaftlich schon in Ungnade gefallen war, noch ehe seine jetzige Frau überhaupt geboren worden war. Die so genannten Gesellschaften der vermeintlichen "Dame" waren lediglich ein Deckmantel für lasterhafte Orgien. Aber es wäre wenig edelmütig gewesen, Miranda derart bloßzustellen.
Genau wie sie spielte auch James mit sichtlichem Widerstreben seine Rolle als Gastgeber. Er gab sich an diesem Abend besonders große Mühe, Mr. Fowler den irrigen Eindruck zu vermitteln, dass er ein unwissender Hochlandschotte, bodenständig und provinziell war. Susanna wusste, worauf das hinauslaufen würde: James forderte den Mann geradezu dazu heraus, ihn beim Kartenspiel übers Ohr zu hauen.
Insgeheim befürchtete sie das Schlimmste. Was, wenn ihr Mann sein Geschick überschätzte? Konnte er wirklich gegen Mr. Fowler gewinnen – selbst wenn er ein erfahrener Kartenspieler war? Beim Kartenspiel hing so viel vom bloßen Zufall ab. Und wer konnte schon wissen, wem Fortuna an diesem Abend zur Seite stand?
Susanna hatte ein flaues Gefühl im Magen. Sie selbst hatte ihr Recht verspielt, sich einen Ehemann aussuchen zu dürfen, nur weil sie in der Hitze des Spiels das Augenmaß für das Machbare verloren hatte. Bei den Karten, die sie in der Hand gehalten hatte, hatte sie mit einem Sieg gerechnet. Spieler mussten auf ihr Glück hoffen – so wie sie darauf gehofft hatte. Doch blitzschnell hatte sich das Glück gewendet. Sie hatte bei dieser familiären Spielpartie jedenfalls eine Lektion fürs Leben gelernt. Es war nicht klug gewesen, ihr ganzes Lebensglück auf eine Karte zu setzen. Und Leute, die um Geld spielten, konnten sich an einem Abend auch finanziell ruinieren. Obwohl James so gelassen aussah, musste er innerlich vor Zorn kochen, bei der Behandlung, die Mr. Fowler ihm angedeihen ließ. Er konnte sicher nicht mehr klar denken. Das wird sein Verderben sein – und mein eigenes.
"Wollen wir ein wenig Musik machen?" schlug sie vor, um sich von ihren Gedanken abzulenken.
"Nun, musiziert haben wir doch schon oft genug, oder? Wie wäre es mit einem Spieleabend?" setzte Miranda dagegen.
So, da haben wir es, dachte Susanna.
"Nur ein paar Spiele unter Freunden", lockte Miranda. "Wir könnten ja um … um getrocknete Bohnen spielen. Das wäre euch Landleuten sicher am liebsten."
"Eine geradezu geniale Idee!" warf Mr. Fowler ein.
"Aber wir haben weder Spielkarten noch Würfel im Haus", wehrte Susanna ab.
Mr. Fowler legte vergnügt den Kopf schief. "Welch Glück, dass ich Karten mitgebracht habe, um Ihnen aus der Verlegenheit zu helfen, Lady Susanna! Wollen Sie, dass ich sie hole?"
Zögernd erhob sich Susanna, während sie James fragend ansah. "Ja, bitte. Ich werde die Bohnen kommen lassen." Vielleicht konnte James so erst einmal die Lage sondieren, bevor er irgendetwas von Wert riskierte.
"Nein, mach dir keine Mühe", bat James sie. "Es ist ja nicht so, dass wir arme Leute wären. Wir werden richtig spielen oder gar nicht." Seine Blicke sagten Susanna, dass es besser wäre, nicht weiter zu protestieren. "Wollen wir uns nach drüben begeben?"
Fowler sprang auf. "Gerne! Ich habe die Karten oben im Koffer. Ich bin gleich wieder da." Er eilte davon.
"Und ich", meinte Miranda heiter, "werde uns beiden ein Gläschen Sherry einschenken."
"Es ist doch keiner mehr da", erinnerte Susanna sie. "Wir haben die Flasche gestern zusammen geleert."
"Aber nicht doch! Gestern Nachmittag habe ich mich ein wenig bei euch umgesehen. Rate mal, was ich entdeckt habe: Wenn man
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