Loretta Chase
erwähnten Belangen zu tun haben. Es ist
ein männlicher Naturinstinkt, sich mit dem anderen Geschlecht zu paaren.«
»Wie du
verschiedentlich mit Bezug auf das Paarungsverhalten von
Tieren dargelegt hast, ist es ein bei vielen Arten weit verbreiteter Naturinstinkt,
sich eine Partnerin zu suchen und bei ihr zu bleiben«, erwiderte Lord
Hargate.
Ah, nun kam
man also endlich zur Sache – und überraschend war das nicht. »Mit anderen
Worten: Sie wünschen, dass ich heirate«, sagte Darius. Er hatte noch nie
einen Sinn darin gesehen, lange um den heißen Brei herumzureden – eine weitere
seiner enervierenden Eigenschaften.
»Du hast
dich gegen eine wissenschaftliche Laufbahn in Cambridge entschieden«,
sagte sein Vater. »Hättest du die Gelehrtenlaufbahn eingeschlagen, würde man
selbstverständlich nicht von dir erwarten zu heiraten. Doch du hast keinen
Beruf.«
Keinen Beruf? Mit seinen achtundzwanzig Jahren war Darius
Carsington bereits eines der renommiertesten Mitglieder der Philosophischen
Gesellschaft. »Sir, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, aber meine Arbeit
...«
»Arbeit! Der halbe Adel schreibt zum Zeitvertreib vermeintlich wissenschaftliche
Abhandlungen, um eine der unzähligen Gelehrtengesellschaften zu
beeindrucken«, winkte Lord Hargate ab. »Die meisten dieser Gentlemen
verfügen indes über ein Einkommen – und die Quelle dieses Einkommens speist
sich nicht daraus, dass sie ihren Vätern auf der Tasche liegen.«
Das saß.
Darius wollte zu einer Erwiderung ansetzen.
Was soll
ich denn sonst mit meinem Leben anfangen?, hätte er fragen können. Wie soll ich
mich denn sonst von den anderen abheben? Von Benedict, dem mustergültigen
Politiker und Philanthropen, Geoffrey, dem vorbildlichen Familienvater,
Alistair, dem tapferen Kriegshelden und heillosen Romantiker, Rupert, dem
liebenswerten Lebemann und jüngst auch wagemutigen Abenteurer. Wodurch sollte
ich mich denn auszeichnen, wenn nicht durch meinen einzigen Vorteil – meinen
Intellekt? Wie würden Sie an meiner Stelle denn aus dem Schatten meiner Brüder
treten?
Obwohl all
diese Fragen durchaus vernünftig und berechtigt gewesen wären, stellte er keine
einzige. Er würde sich nicht dazu herablassen, sich gegen einen Vorwurf zu
verteidigen, der so
offensichtlich ungerecht und unlogisch war.
Stattdessen
setzte er eine belustigte Miene auf. »Wenn dem so ist, Vater, seien Sie doch
bitte so gut, eine begüterte Braut für mich auszuwählen. Meine Brüder scheinen
mit der für sie getroffenen Wahl zufrieden zu sein – und mir ist das Ganze
herzlich egal.«
Das war es
wirklich. Was wiederum die Geduld seines Vaters aufs Äußerste strapazieren
dürfte, was Darius seinerseits ein Trost hätte sein können. Allerdings kein
großer, verstand Lord Hargate es doch vortrefflich, sich seine Gefühle nicht
anmerken zu lassen.
»Ich habe
keine Zeit, dir eine passende Braut zu suchen«, beschied Seine Lordschaft.
»Aber wenn ich mich recht entsinne, habe ich das Thema Heirat deinen Brüdern
gegenüber erst kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag zur Sprache gebracht. Der
Fairness halber gestehe ich dir also ein weiteres Jahr zu. Ich werde dir
Gelegenheit geben, dich
zu bewähren, wie ich es auch bei meinen anderen nachgeborenen Söhnen getan
habe.«
Benedict,
der älteste Sohn, hatte sich nicht in Form einer einträglichen Tätigkeit oder
einer vermögenden Braut bewähren müssen, da er eines Tages alles erben würde.
Bislang hatten die anderen Söhne allesamt reich geheiratet. Dass sie auch aus
Liebe geheiratet hatten, ließ Lord Hargate lieber unerwähnt.
Für Darius
fiel das Konzept romantischer Liebe in dieselbe Kategorie wie Aberglaube,
Mythen und Poesie. Anders als gegenseitige Anziehung, animalische Lust, ja
selbst elterliche Liebe und Zuwendung, die man auch im Tierreich beobachten
konnte, war romantische Liebe seiner Ansicht nach ein nicht der Natur, sondern
einzig der menschlichen Fantasie geschuldetes reines Konstrukt.
Im Moment
sann er jedoch nicht über Liebe nach. Er überlegte, was sein durchtriebener
Vater im Schilde führte. »Welche Art von Gelegenheit?«
»Ein etwas
heruntergekommenes Anwesen fiel jüngst in meinen Besitz«, ließ Lord
Hargate ihn wissen. »Du hast genau ein Jahr, um es wieder profitabel zu machen.
Gelingt es dir, bist
du von allen Fragen der Heirat ausgenommen.«
Darius'
Herz machte einen Sprung. Eine Herausforderung, eine echte Herausforderung! War
seinem Vater endlich bewusst geworden, wozu sein
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