Loretta Chase
große
Nachfrage für Papyri gibt und sich in Ägypten Abertausende davon finden
lassen.«
»Dann musst
du sie aber Leuten wegnehmen, die schon seit über tausend Jahren tot
sind«, sagte Lisle. »Die Mumien halten die Papyri in ihren Händen, oder
sie klemmen ihnen zwischen den Beinen. Onkel Rupert hat gesagt, der Mumienstaub
verstopfe einem die Nase, und der Geruch sei widerlich. Du musst durch ganz
kleine Löcher in die Erde
klettern und durch enge Tunnel
kriechen. Es ist furchtbar heiß da unten. Und viele Dienstboten wirst du
bestimmt nicht haben, die dir Limonade und Sandwiches bringen und den Dreck
wegkarren. Nicht so, wie wenn du bei Lord Mandeville den Rasen umgräbst.«
»Wir gehen nicht nach Ägypten, Olivia«, stellte Bathsheba klar. »Ich würde
dir raten, dir diese Idee ganz schnell wieder aus dem Kopf zu schlagen.«
Olivias
Gesicht nahm einen wohlvertrauten störrischen Zug an, und sie wollte gerade zu
einer Widerrede ansetzen.
Da bedachte
Rathbourne sie mit einem seiner Blicke.
Obwohl sie trotzig
das Kinn reckte, war die aufsässige Miene im Nu verschwunden, und zu Bathshebas
unendlicher Verwunderung sagte sie: »Jawohl, Mama.«
»Ich kann
überhaupt nicht verstehen, warum du die ganze Zeit davon plapperst, um die
halbe Welt reisen zu wollen«, meinte nun Lord Mandeville. »Erst mal
solltest du doch deine Ausgrabungen vor Ort beenden.«
Bathshebas
Herz begann heftig zu pochen. Es konnte nur einen Grund geben, warum er Olivias
Launen derart nachgab – er wollte ihre Abreise hinauszögern. Wahrscheinlich
hatte er Fosbury längst geschrieben, welcher den Brief frühestens heute
bekommen würde ... was wiederum hieße, dass er in wie vielen Tagen hier sein
könnte? In einem? In zwei? Oder war es nur noch eine Frage von Stunden? Noch
ehe ihr in höchste Alarmbereitschaft versetzter Verstand eine höfliche
Erwiderung zustande bekam, sprach schon wieder Lisle.
»Wir haben
um das ganze Mausoleum herum einen Graben ausgehoben«, berichtete er. »Ich
wüsste nicht, wie uns da der Schatz hätte entgehen sollen, wenn es ihn denn
gäbe.«
»Lord Lisle
geht sehr systematisch vor«, erklärte Olivia. »Ich bin mir daher sicher,
dass wir jede Erdkrume umgegraben haben.«
»Nicht
unbedingt«, meinte Seine Lordschaft. »Ich habe mich mal mit Northwick
darüber unterhalten, und da kam uns der Gedanke, dass ihr vielleicht nicht tief
genug gegraben habt.«
»Ihr dürft
nicht vergessen, dass Edmund DeLuceys Piratentage schon über hundert Jahre her
sind«, sagte Lord Northwick. »Im Laufe der Zeit sacken Gebäude ab und
sinken tiefer ins Erdreich, Gärten werden neu angelegt und neu bepflanzt. Das
Erdreich um das Mausoleum herum ist mehrere Male aufgefüllt worden. Man sollte
auch bedenken, dass die Gärtner regelmäßig Kalk und Dünger aufbringen.«
»Ich an
eurer Stelle würde tiefer graben«, sagte Lord Mandeville. »Es sei denn,
ihr wollt schon aufgeben.«
Missmutig
sah Bathsheba, wie die Miene ihrer Tochter sich aufhellte. In Lisles Gesicht
spiegelte sich Olivias Begeisterung, wenngleich etwas leiser und gedämpfter.
Die Kinder
schauten einander an, und es war klar, dass sie es kaum noch erwarten konnten,
wieder zu Spaten und Spitzhacke zu greifen.
Aber da
überraschte Olivia ihre Mutter ein weiteres Mal.
»Vielen
Dank, Mylord«, sagte das Mädchen artig. »Aber ich muss die Schatzsuche
Lord Lisle überlassen. Mama und ich reisen heute ab.«
»Es ist
aber nicht meine Schatzsuche«, sagte Lord Lisle.« Edmund DeLucey war
dem Ururgroßvater, nicht meiner. Ich käme mir ja wirklich dumm vor, ganz allein
herumzugraben, während alle zuschauen. Und meinst du vielleicht, mir würde es
Spaß machen, den Schatz zu finden, wenn du nicht dabei bist? Es ist deine
Schatzsuche.«
»Es ist
mehr als nur eine Schatzsuche«, meinte Lord Hargate. »Es ist auch der
Versuch, die Geister der Vergangenheit endlich zu begraben. Wenn die Sache nicht
ein für alle Mal geklärt ist, werden Edmund DeLuceys Nachfahren weiterhin an
den legendären Piratenschatz glauben. Irgendeiner von ihnen wird erneut Jagd
darauf machen, hier auftauchen und zu graben anfangen. Wieder wird die Familie
gestört, der Frieden des Anwesens und die Ruhe der Toten. Habt ihr eigentlich
eine Vorstellung davon, wie viel Unruhe ihr hier gestiftet habt?«, fragte
er und bedachte die beiden mit eisigem Blick. »Wisst ihr, wie viel Mann nach
euch gesucht haben? Oder wie viel Arbeit ihr den Dienstboten beschert habt?
Ganz zu schweigen von den Umständen,
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