Loretta Chase
Nachkomme des berüchtigten Piraten Edmund DeLucey. Ihr und Euer
treuer ... äh, Knappe habt Gefahren auf Euch genommen, Entbehrungen
ausgestanden und Großes vollbracht. Mit Eurer Hände Arbeit habt Ihr nach dem
Schatz Eures Ahnen gegraben. Ihr habt ihn gefunden. Somit ist er Euer, und Ihr
könnt über ihn verfugen, wie Ihr wünscht.« Benedict sah sich um und
betrachtete die Versammelten. Lord und Lady Mandeville. Lord und Lady
Northwick. Lord Hargate. Peter DeLucey. Bathsheba. Die Kinder. Einige
Dienstboten standen nahebei, etliche weitere drängten sich an den Fenstern des
Hauses und schauten hinab auf die Szene, die sich vor ihnen abspielte.
Theatralische
Szenen gehören, auf die Bühne.
Wieder sah
er zu seinem Vater hinüber. Lord Hargate betrachtete noch immer Olivia, doch
mittlerweile mit einem Ausdruck, den Benedict nur allzu gut kannte. Kaum
merklich war die Veränderung in seiner Miene. Nichts an Lord Hargate war jemals
offensichtlich. Doch Benedict kannte seinen Vater gut – besser als die meisten
–, und ihm entging die leise Veränderung nicht.
Am Tag von
Alistairs Hochzeit hatte Seine Lordschaft ganz genauso dreingeschaut. Und
ebenso, als Rupert seine Braut aus Ägypten nach Hause gebracht hatte. Triumph
stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Beide Male
hatte Benedict das nachvollziehen können.
Wider alle
Erwartung und zu des Earls unaussprechlicher Erleichterung hatten jüngere Söhne
absolut standesgemäße Frauen mit mehr als nur standesgemäßen Vermögen
geheiratet.
Aber
diesmal war es Benedict ein Rätsel, warum sein Vater so ganz mit sich und der
Welt zufrieden dreinschaute.
Während
Olivia sich etliche Schichten Schmutz abschrubben ließ, suchte Bathsheba Lord
Hargate auf, um ihm zu sagen, dass sie die zwanzig Pfund nun doch nicht
benötige – und ihn in Hinblick auf seinen ältesten Sohn zu beruhigen.
Die
Dienstboten wiesen sie zu der pittoresken Ruine am Ostufer des Sees. Die Ruine
war im vorigen Jahrhundert im gotischen Stil erbaut worden, um einen Ort der
Melancholie zu schaffen, der Kontemplation und Dichtkunst förderlich wäre.
Wenngleich Bathsheba bezweifelte, dass Lord Hargate der Poesie zugeneigt war,
so dürfte es derzeit doch genügend geben, ihn melancholisch zu stimmen.
Sie traf
ihn an, wie er mit gefurchter Braue zu einem zerfallenen Türmchen hinaufsah. Er
war indes nicht so sehr in Gedanken versunken, als dass er sie nicht hätte
kommen hören.
Er drehte
sich um und nickte ihr zu. »Mrs. Wingate«, sagte er und schien keineswegs
überrascht, sie zu sehen. »Vermutlich sind Sie gekommen, um mir zu sagen, dass
Sie meinen Sohn aus Ihren Fängen befreit haben und wir bald nicht mehr das
Vergnügen mit Ihnen haben werden.«
Verdutzt blieb
sie stehen und blinzelte kurz. »Ja, genau«, meinte sie dann und erklärte
ihm die zweiwöchige Abkühlphase, die sie Rathbourne verordnet hatte. Auch damit
war Lord Hargate keine ersichtliche Regung zu entlocken.
»Im Laufe
zweier Wochen sollten Sie und Ihre Familie ihn gewiss dazu
bringen, seinen Fehler einzusehen«, fuhr sie fort.
»Das wage
ich zu bezweifeln«, erwiderte Seine Lordschaft.
»Doch, ich
bin mir dessen ganz sicher«, beharrte sie. »Er ist seiner Familie sehr
verbunden. Und auch wenn er jetzt anders redet, so weiß ich genau, dass seine
politischen und wohltätigen Arbeiten ihn mit Sinn und Freude erfüllen. Beides
würde er vermissen, sehr sogar. Er ist ein guter Mann, Lord Hargate. Nicht der
Muße und den Ausschweifungen verfallen wie so viele seines Standes. Er kann in
England viel Gutes bewirken. Vor ihm tut sich eine glänzende Laufbahn auf. Das
weiß er. Er müsste nur
daran erinnert werden – während ich nicht da bin, ihn davon abzulenken. Ich
habe auf Sie gezählt, Sir, ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Alle Welt
sagt, Sie seien einer der mächtigsten Männer Englands. Da sollten Ihnen zwei
Wochen gewiss genügen, um Ihren Sohn zur Vernunft zu bringen.«
»Das wage
ich zu bezweifeln«, erwiderte Seine Lordschaft abermals. »Aber hier kommt
er ja schon, und wir werden sogleich sehen, wie viel Macht ich über ihn
habe.«
Bathsheba
fuhr herum. Tatsächlich. Rathbourne kam zügigen Schrittes den Weges herauf. Er
trug keinen Hut, und der Oktoberwind zauste seine dunklen Locken hierhin und
dorthin. Als er näher kam, sah sie, wie unordentlich sein Krawattentuch
gebunden war und dass an einer Stelle sein Rock nicht zugeknöpft war.
»Ich will
hoffen, dass Sie nicht ernstlich geglaubt haben, er würde
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