Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
Informant aus der Stadt nichts davon erwähnt, dass er verheiratet war. Clarice durchfuhr die Erkenntnis wie ein Schock. Nein, Millicent war nicht seine Ehefrau, sondern seine Schwester! Seine ältere Schwester, die Ärmste. Als Clarice genauer hinsah, fiel ihr auch die Ähnlichkeit zwischen den beiden auf. Millicents Haar war braun und zu einem Knoten gebunden, ihr gelbes Kleid ließ ihren Teint blässlich erscheinen, und dieselben Gesichtszüge, die Lord Hepburn ein so aristokratisches Aussehen verliehen, wirkten auf Millicents länglichem Gesicht einfach nur seltsam deplatziert.
Natürlich würden eine neue Frisur und einige Kosmetika dies ändern, ebenso wie eine kleine Lehrstunde, wie man ging und sprach und lächelte. Clarice ertappte sich belustigt dabei,
dass sie bereits an Millicent mit den Augen Maß für ein neues Gewand nahm. Vielleicht war das ja der Hintergedanke bei dem Angebot der Lady, als ihre Gastgeberin zu fungieren. Sie war unzufrieden mit ihrem Aussehen und wollte sich verändern. Das Beste daran war, dass sie genug Geld besaß, um Clarice’ Dienste angemessen zu entlohnen.
Gut. Clarice würde ihr helfen.
Was Clarice dagegen beunruhigte, war ihre unerklärliche Erleichterung bei der Entdeckung, dass Lord Hepburn ungebunden war.
Dieses Gefühl gefiel ihr nicht. Überhaupt nicht. Sie hatte ihre Emotionen immer unter Kontrolle, blieb immer auf ihr Ziel konzentriert, und jetzt kam dieser Mann und störte diese Konzentration, indem er sie einfach nur ansah, als könnte er durch ihre Kleidung und Fassade direkt bis in ihr Innerstes sehen. Schlimmer noch, als erkenne er ihre Seele.
Er lächelte Millicent an, und sein Ton war erheblich freundlicher als der, mit dem er bisher Clarice angesprochen hatte. »Das ist meine Schwester, Lady Millicent. Mylady, darf ich Euch Prinzessin Clarice vorstellen?«
Die beiden Frauen begrüßten sich mit einem höfischen Knicks.
»Es ist ein Privileg für uns, Eure Hoheit.« Millicents Stimme war angenehm und melodisch, und sie sah Clarice ohne jede Verstellung an.
»Ich danke Euch für Eure Großzügigkeit, Mylady«, antwortete Clarice. »Doch wenn Ihr die Gastgeberin für mich spielt, hält Euch das sicher von Euren sonstigen Pflichten fern.«
»Hier auf dem Land ist es sehr ruhig, und wir dürsten nach Gesellschaft.« Millicent lächelte, und ihr einfaches Gesicht verwandelte sich plötzlich in das einer wunderschönen Frau.
»Außerdem steht uns demnächst ohnehin eine Vielzahl von Besuchern ins Haus. Wir geben einen Ball, einen ganz besonderen Ball. Ihr müsst wissen...«
Robert machte eine kaum wahrnehmbare Handbewegung.
»… dass ich nicht gewöhnt bin, solche Festlichkeiten zu arrangieren«, beendete Millicent den Satz.
Clarice war sicher, dass sie etwas anderes hatte sagen wollen.
»Ich nehme an, Eure Hoheit, dass Ihr ganz ausgezeichnet solche Bälle planen könnt«, fuhr Millicent fort.
»Ja, das kann ich.«
»Ich nehme an, dass sich alle Prinzessinnen auf so etwas verstehen«, flocht Robert ein.
Sein süffisanter Tonfall ging Clarice unter die Haut. »Ganz recht. Ich wurde darin unterwiesen, mich um die Paläste zu kümmern, über die ich eines Tages herrschen sollte. Und meine Großmutter hätte niemals geduldet, wenn sich jemand aus ihrer Familie in diesem Punkt als unfähig erwiesen hätte.«
»Ich wüsste Eure Hilfe wirklich sehr zu schätzen«, meinte Millicent mit aufrichtiger Liebenswürdigkeit. Offenbar war diese Eigenschaft einfach nur ein Charakterzug von ihr. »Unsere jüngere Schwester wird auf dem Ball in die Gesellschaft eingeführt. Sie ist ein bisschen unsicher und würde mir nie verzeihen, wenn ich zuließe, dass Ihr irgendwo anders logiert als auf MacKenzie Manor.«
Als Lord Hepburn missbilligend das Gesicht verzog, sah er fast aus wie ein normaler Bruder. »Prudence ist außer sich wegen der Kleider und ihres Haars und der Hüte. Ich werde Gallonen dieser königlichen Creme erstehen müssen.«
»Schon die kleinste Menge wirkt wahre Wunder, und für ein Mädchen, das sein Debüt gibt, könnte selbst das schon
zu viel sein.« Clarice lächelte Millicent verschwörerisch an. »Wenn ich die jungen Ladys zu schön mache, dann, so musste ich feststellen, reagieren wir, die wir nicht mehr so jung sind, schnell etwas verschnupft.«
»Prudence ist die Erste, die Euch gestehen wird, dass sie schwierig ist.« Millicent faltete die Hände und spitzte die Lippen, doch in ihren Augen funkelte der Schalk. »Ich wäre übrigens die
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