Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
Farbtupfer schockierten das Auge ebenso, wie sie es erfreuten. Sie hatte einen wohlgeformten Busen, eine schmale Taille, an ihren langen Beinen glänzten schwarze Stiefel, und ihr Gesicht...
Guter Gott, ihr Gesicht!
Robert konnte seinen Blick nicht davon losreißen. Wenn sie in der Renaissance geboren worden wäre, hätten die Maler sich gewiss die Klinke in die Hand gegeben und sie bestürmt, für sie Modell zu stehen. Sie hätten sie als Engel gemalt, denn ihr lockiges, goldblondes Haar leuchtete wie aus eigener Kraft und umgab ihren Kopf wie einen Heiligenschein. Kupferfarbene Strähnen in den Locken schienen fast zu glühen, und es juckte Robert in den Fingern, durch diese Locken zu fahren und ihre Wärme und ihre Weichheit zu spüren. Ihre sanften Wangen und ihre großen, bernsteinfarbenen Augen unter den dunkelblonden Brauen machten jeden Mann glauben,
er wäre im Himmel, doch ihr energisches Kinn bewahrte ihr Gesicht davor, zu einer süßlichen Maske zu werden. Ihre Nase war gerade und das Kinn eine Idee zu breit, um das perfekte Schönheitsideal zu erfüllen, doch ihre geschwungenen Lippen waren voll und rot, viel zu rot. Sie legte gewiss Rouge auf, dessen war sich Robert sicher. Sie wirkte wie eine vornehme Engländerin, natürlich abgesehen davon, dass keine wahrhaft vornehme Dame ihre Lippen röten würde. Ganz gewiss jedoch reiste sie nicht allein.
Sie lächelte und gewährte ihm einen kurzen Blick auf die geraden weißen Zähne in ihrem Mund, ein Mund, den er erforschen würde.
Robert stieß sich mit einem Ruck von der Wand der Bierschänke ab.
Wie, zum Teufel, war er auf diesen Gedanken gekommen?
Hamish MacQueen war vorlaut wie üblich. Er hatte schon vor langer Zeit einen Arm im Dienst der Königlichen Marine Seiner Majestät eingebüßt, was seine gute Laune nicht beeinträchtigen konnte. »Wer, glaubt Ihr, ist sie?«, nuschelte er.
Eine gute Frage, auf die Robert schon noch eine Antwort bekommen würde.
»Keine Ahnung, aber ich würde ihren Busch gern bürsten!«, erklärte Gilbert Wilson, schlagfertig wie immer und ein wenig anzüglich.
»Ich würde ihr gern ein Würstchen zum Abendessen servieren.« Tomas MacTavish schlug sich auf sein knochiges Knie und keckerte vor Lachen.
Henry MacCulloch trug seinen Teil zu ihrem Vergnügen bei. »Ich würde gern Äpfelchen im Schlafrock mit ihr spielen!«
Die drei alten Männer kicherten bei der Erinnerung an die Zeiten, als sie noch die Möglichkeit hatten, eine schöne Frau
zu umwerben. Jetzt mussten sie sich damit zufriedengeben, in der Sonne vor der Bierschänke zu sitzen, ihre Kommentare zu den Vorgängen in der Ortschaft abzugeben und Dame zu spielen. Sie waren damit auch durchaus zufrieden gewesen, jedenfalls bis diese Fremde in die Stadt geritten kam.
Robert musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. Er witterte Ärger schon von weitem, denn auf seinen Reisen war er ihm oft genug begegnet. Äußerlich schien er nur mäßig an den Geschehnissen auf dem Platz interessiert zu sein, doch in Wirklichkeit war er aufmerksam und auf alle Schliche vorbereitet. Diese Frau roch nach Schwierigkeiten. Die Welt war keineswegs so sicher und idyllisch, wie sie sich die Bewohner dieses kleinen Dorfes vorstellten. Stattdessen wimmelte es darin von Lügnern und Betrügern, von Mördern und noch Schlimmerem. Es waren Männer wie er selbst, Robert, die für die Sicherheit in Freya Crags sorgen mussten, und er hatte vor, das auch zu tun.
»Ihr verdammten alten Narren!« Hughina Gray, die Wirtin, baute sich breitbeinig neben ihnen auf und steckte die Hände unter ihre Schürze. Sie schaute zwischen Robert und der Fremden hin und her. »Seht ihr nicht, dass sie nichts taugt?«
»Ich wette, dass sie zu einigem taugt!«, widersprach Tomas’ Bruder Benneit, und die alten Männer lachten, bis ihnen die Luft wegblieb.
»So solltet ihr vor unserem Laird nicht reden!«, tadelte Hughina sie mit einem kurzen Seitenblick auf Robert. Hughina war in Roberts Alter, sehr attraktiv und Witwe. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass in ihrem Bett genug Platz für ihn war.
Robert hatte diese Einladung jedoch niemals angenommen. Wenn der Laird den Frauen seiner Ländereien beischlief,
ließ der Ärger nicht lange auf sich warten. Falls ihn die Lust überkam, ritt er über die Hügel nach Trevor und besuchte Lady Edmundson. Sie genoss seinen Körper und seine Leidenschaft, ohne sich einen Pfifferling darum zu scheren, ob er sie liebte. Das war ein sehr befriedigendes Arrangement
Weitere Kostenlose Bücher