Lost Secrets 4
selbst, fügte sie im Geiste hinzu.
Abercrombie schien noch Sekunden mit sich zu ringen, dann gab er nach. „Aber bitte, regen Sie sie nicht auf!“
„Es wäre mir recht, wenn Sie nicht mit im Raum wären, während wir mit ihr reden.“ Eric betrachtete Abercrombie eindringlich. „Dafür haben Sie mein Wort, dass wir sie nicht überfordern.“
„Also gut.“ Janes Vater nickte dem Wachmann zu, der daraufhin die Glastür aufschob. Kurz blieben sie vor Janes Zimmertür stehen. „Aber bitte …“
„Sie haben unser Wort!“, sagte Heather ernst, dann klopfte sie an die Tür.
Zum ersten Mal sah sie das Mädchen ohne all die rote Farbe.
Sie war zart und schlank. Ihr blondes, glattes Haar war schulterlang und fast weiß. Die helle Haut wirkte durchscheinend. Ihre großen Augen waren wasserblau und leuchteten auf vor Freude, als sie Eric erkannte.
„Jane.“ Seine Stimme war leise und behutsam, als spräche er mit einem Kind, das gerade aus einem Alptraum erwacht ist. „Wie geht es dir?“
Sie lächelte etwas angestrengt. In ihrem Gesicht gab es einige Kratzer und blaue Flecken, die sich bereits gelblich verfärbten. „Es geht mir ganz gut. Wo ist Dad?“
„Er holt sich kurz einen Kaffee. – Jane, darf ich dir Heather MacLean vorstellen?“
Heather streckte dem Mädchen lächelnd die Hand entgegen. „Sie erinnern sich vermutlich nicht mehr an mich. Ich -“
„Sie haben mich aus dem Haus geholt, nicht wahr?“ Das Mädchen nickte erschöpft. „Ich erinnere mich schwach. Ich war etwas benebelt. Ich war öfter … er hat mir öfter etwas gespritzt.“ Sie hob Heather und Eric ihre Armbeuge entgegen, wo einige Einstichstellen zu sehen waren. „Er sagte immer, damit ich schlafen kann. Und ich war … ich war so froh, wenn der Schlaf kam. Dann hörte die Angst für einen Moment auf. Das war schön.“ Als ihr Tränen in die Augen traten, blickte Heather zu Eric empor, dessen Gesicht vor mühevoll unterdrückter Wut angespannt war. Sie beschloss, ihm die Gesprächsführung zu überlassen.
„Wir wissen, dass das schwer ist, Jane“, hob er an, indem er sich auf den Stuhl neben dem Bett setzte. Heather blieb etwas unschlüssig neben ihm stehen. „Aber wir müssen dich einfach fragen, ob du dich an irgendetwas erinnerst, das uns vielleicht weiterhelfen könnte.“
Jane zuckte hilflos mit den Schultern und schob sich eine der hellen Strähnen hinters Ohr „Ich weiß ja nicht, was euch helfen würde.“
„Ist dir irgendetwas besonders eigenartig vorgekommen? Kannst du dich an Orte erinnern, an die er dich gebracht hat?“
„Ich weiß, dass er mich mehrmals woanders hin gebracht hat. Aber er hat mir vorher immer eine Spritze gegeben und ich bin dann erst in einem neuen Raum aufgewacht. Es gab nie Fenster. Die Mauern waren aus grobem Stein. Es war immer kalt und feucht.“ Instinktiv zog sie sich die Zudecke bis zum Kinn. „Ich glaube, es waren Kellerräume. Aber ich weiß nicht einmal, ob er mich nur vom einen in den anderen gebracht hat, oder ob wir wirklich jemals das Haus verlassen haben. In einem der Räume hörte ich immer wieder ein Rumpeln. Wie von einem Rasenmäher oder so. Aber es war kein Rasenmäher. Es war nur … wie ein Motor. Naja. Das ist wohl kein besonders guter Hinweis.“ Sie lächelte schwach.
„Sie haben blaue Flecke im Gesicht“, sagte Heather leise. „Hat er sie geschlagen?“
Jane nickte und starrte auf ihre eigenen Finger, die sie unablässig knetete. „Anfangs öfter. Er hatte mir eine Art Lager in dem Keller eingerichtet. Ein paar Decken auf dem Boden, ein Hocker daneben. Und unmittelbar, nachdem er mich entführt hatte, war meine Angst am größten. Ich kannte ja die Zeitungsberichte von den Entführungen. – Er hat mich immer so eigenartig angesehen. Als würde er mich taxieren. Er nannte mich Flammengöttin , aber damit meinte er in Wirklichkeit Sie, nicht?“
Heathers Puls überschlug sich. „Wie kommen sie darauf?“
„In jedem der Kellerräume hatte er ein Bild von Ihnen aufgehängt. Er sagte immer zu mir, dass das mein Spiegel wäre und dass ich mir mein Spiegelbild ansehen sollte. Er nannte mich Heather und ich sagte ihm, dass ich Jane hieße. Daraufhin schlug er mich.“ In ihre Augen trat eine Art resigniertes Erinnern. „Er wollte mich erziehen. Er wollte von mir bestimmte Antworten auf Fragen und nach und nach lernte ich sie ihm zu geben.“
„Was für Antworten?“, fragte Eric dazwischen.
„Beispielsweise fragte er mich immer wieder, ob ich
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