Love is a Miracle
heraus waren, gingen die beiden schon zu ihrem Haus hinauf, aber ich hörte, wie sie miteinander redeten. Joe las ihr die Aufgaben aus seinem Mathebuch vor.
»Ein Halbes plus drei Viertel ist gleich wie viel?«, fragte er sie. »Weißt du, wie man das ausrechnet? Also du musst …«
»Fünf Viertel«, antwortete Beth wie aus der Pistole geschossen. »Und was gab’s heute zum Mittagessen?«
Als Beth dann selber in die Schule kam, wussten die Lehrer nicht, was sie mit ihr machen sollten. Sie hätte gleich an der Highschool anfangen können, aber wer schickt schon ein fünfjähriges Kind dorthin? Deshalbging sie mit gleichaltrigen Kindern in die Grundschule, lernte aber auf eigene Faust. In den letzten Wochen vor ihrem Tod las sie Romane, von denen ich noch nie gehört hatte, und löste Matheaufgaben, bei denen mir schwindlig wurde.
Die ganze Stadt kam zu ihrer Beerdigung, und alle wollten etwas über sie sagen, ihre Erinnerungen an Beth mit der Trauergemeinde teilen, sodass der Gottesdienst viele Stunden dauerte. Ein halbes Jahr später kam Joe an eine Militärschule in der Nähe seiner Großmutter. Angeblich wollte seine Mom ihn loswerden, damit sie zu ihrem Barkeeper ziehen konnte. Vier Wochen vor meiner Abreise ins Fußballcamp war Joe zurückgekommen, braun gebrannt und in einer militärisch aussehenden Schuluniform, die am nächsten Morgen in der Mülltonne in der Einfahrt lag. Er nahm einen Job bei Reardon Logging an, und die Leute zerrissen sich die Mäuler darüber, wie oft er abends ausging und dass er ständig mit anderen Mädchen gesehen wurde.
Er hatte immer irgendein Mädchen im Schlepptau, das stimmte, aber nicht weil er so beliebt oder cool oder witzig war. Joe war einfach nur schön. Das hört sich jetzt vielleicht bescheuert an, weil Typen ja normalerweise nicht schön sind. Aber für Joe gibt es kein anderes Wort. Er hat alles, was andere auch haben – Nase, Augen, Mund –, und nichts daran ist irgendwie ungewöhnlich. Trotzdem hat er etwas an sich, das alle Blicke anzieht, etwas Unwiderstehliches, gegen das man einfach nicht ankommt.
Ich hatte in all den Jahren genau achtmal mit ihm gesprochen.
Ein »Hi« an dem Tag, an dem er eingezogen war. Das hatten wir beide gesagt.
Ein »Nein« von ihm, als ich ihn fragte, ob er nächste Woche zu mir herüberkommen und mit mir spielen wollte. Meine Eltern sahen, wie ich mit ihm redete, und verboten es mir.
Daraufhin fragte ich ihn am nächsten Tag gleich noch mal. »Was spielen?«, sagte er, und ich: »Weiß nicht.« Darauf er: »Warum fragst du dann?«, und ich wieder: »Weiß nicht.«
Von da an war mir klar, dass ich ihn mochte, und das sagte ich ihm sogar. »Ich mag dich«, sagte ich. Und er: »Ja und?« Ende des Gesprächs.
Einmal sagte er »Hi« zu mir, als ich sieben war und wir beide schlotternd am Ende der Straße auf den Schulbus warteten, weil die Gemeinde es wieder mal nicht geschafft hatte, die Freiwillige Feuerwehr und/ oder den Technischen Hilfsdienst oder Schneepflug zu schicken, um alle Straßen zu räumen.
Als ich neun war, knallte er einen Baseball über unseren Zaun und sagte »Danke«, als ich ihm den Ball zurückbrachte.
Als ich dreizehn war, sagte er »Hey« zu mir, und dann zog er Jimmy Hechts auf, der sich im Schulbus an mich heranmachen wollte: »Mann, Jimmy, ist bei dir der Notstand ausgebrochen? Nimm doch wenigstens eine mit Busen.«
Und letztes Jahr, als ich bei Beths Beerdigung »Es tut mir leid« zu ihm sagte, antwortete er »Danke« wie ein Roboter, und seine Stimme und sein Gesicht waren vollkommen ausdruckslos.
Bevor ich ins Fußballcamp abdüste, hielt ich heimlich nach ihm Ausschau. Ich traute mich nicht, ihn anzusprechen, aber ich konnte mich einfach nicht sattsehen an ihm. Selbst Mom fiel er auf, als er zwei Tage nach seiner Ankunft zum Rasenmähen herauskam. Jess und ich hatten ihn vom Küchenfenster aus beobachtet. Er trug kein T-Shirt und wir drückten uns die Nasen an der Scheibe platt.
»Also wirklich, ihr beiden«, schimpfte Mom, dann entfuhr ihr ein »Oh«, als sie endlich hinüberschaute und Joe sah. Mit rotem Kopf zog sie die Vorhänge zu und fragte Jess nach Brian.
Ich dachte viel an Joe, ehe ich ins Fußballcamp abreiste, Gedanken, die Mom und Dad in helle Panik versetzt hätten. Wahrscheinlich hätten sie mich in mein Zimmer eingesperrt und mir verboten, je wieder zu ihm hinüberzuschauen.
Aber wenn ich jetzt an ihn dachte, fühlte ich nichts. Ich fühlte nie etwas, und allmählich erschien mir das
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