Loving
mit den Mädchen abzieht ...«
Mein Problem ist eigentlich gerade nur Melanie .
»Weißt du von der Sache mit Susanna?«
Mein Gott, weiß eigentlich jeder von dieser Geschichte?
»Weil Melanie ihn nicht rangelassen hat, fängt er was mit Susanna an. Ich meine, die hatte nen Freund.«
»Nicht rangelassen?«, frage ich skeptisch.
Ich hatte den Eindruck, Melanie wollte Luca sogar sehr gerne »ranlassen «.
»Na, als es zwischen den beiden begann, war sie ja erst fünfzehn.«
»Waren sie schon vor Susanna zusammen?«
»Exakt! Und dann reißt er Susanna auf. Was meinst du, wie sauer ihr Freund war. Vögelt sie und geht dann zurück zu Melanie. Ich meine, wie notgeil kann man sein?«
Ich bin sauer auf Luca, aber Max' Eifer, ihn schlecht zu machen, kommt mir seltsam vor. Irgendetwas an der Geschichte passt nicht zu Luca, obwohl ich nicht genau sagen kann, was. Ich sehe Max skeptisch von der Seite an.
»Und wer interessiert dich? Susanna oder Melanie?«
Er wird rot. Nach einer peinlichen Pause räuspert er sich verlegen. »Ja, damals irgendwann mal. Aber ... gerade interessieren mich beide nicht.«
Sonntagmorgenfrühstück. Die Sonne scheint durch die große Glasfront, Blumen auf dem Tisch. Leichte Jazzmusik im Hintergrund. So easy kann das Leben sein, wenn man verheiratet ist, seinen Traumberuf gefunden hat und in einem großen, schönen Haus wohnt. Aber das ist nicht mein Leben. Das ist der Kosmos meiner Eltern, in dem ich gerade ein verdammt großes schwarzes Loch bin.
»Einen Toast, Ella?«
Nein, lieber ein Messer, das ich mir in die Brust jagen kann oder auch eine Gabel. Je schmerzhafter, desto besser, damit der andere Schmerz überdeckt wird, der in mir tobt. Mein Herz ist eine Bleikugel, die sich über einer Flamme auflöst und in meinen Magen tropft. Wie könnte ich jetzt einen Toast essen?
»Tee oder Kaffee?«, fragt mein Vater, da wir immer beides zum Frühstück haben. Kaffee oder Tee. Eine ganz einfache Frage, die mich sofort wieder zu Luca katapultiert, in die sonnige rot-gelb-orangene Küche. Ich sehe ihn mit der Glaskanne am Herd stehen, sein Blick, seine Augen, in die ich damals noch fallen konnte. Damals kommt mir wirklich wie das letzte Jahrhundert vor.
»Schätzchen, weinst du?«, fragt meine Mutter erschrocken.
Ich habe nicht bemerkt, dass mir Tränen übers Gesicht laufen und als ich es bemerke, schluchze ich heftig.
Meine Mutter steht auf, kommt um den Tisch und nimmt mich in den Arm. Mein Vater räuspert sich. »Das wird schon wieder.«
Ja, als Astronom kann man das leicht sagen, in Millionen von Jahren werde ich Luca sicher vergessen haben, aber wie soll mich das jetzt trösten? Ich schlucke, ich will nicht mehr weinen, aber es wird nur noch schlimmer. Mein Vater steht diskret auf und beginnt, den Tisch abzuräumen. Eigentlich will er uns nur allein lassen, damit ich mit meiner Mutter reden kann, doch ich schluchze viel zu sehr, um ein Wort herauszubringen.
Als ich mich etwas beruhigt habe, entspannt sich auch meine Mutter.
»War etwas in Leipzig?«, fragt sie beunruhigt. »Du bist früher zurückgekommen ...«
Ich schüttele den Kopf. Und erzähle. Von der Deutscharbeitsgruppe und Luca, dem Casanova der Schule. Von unserer Annäherung und seiner on und off Beziehung zu Melanie.
»War das der Junge, bei dem du übernachtet hast?«, fragt meine Mutter wieder leicht besorgt.
Ich nicke. »Aber da war nichts weiter. Oder doch. Wenn er mich berührt, dann ...« Ich heule schon wieder. Ich überlege, wie ich ihr das erklären soll. Die körperliche Abhängigkeit, die ich spüre, als wäre Luca eine Droge. Aber auch das Gefühl, bei ihm angekommen zu sein. Mich in seiner Nähe so wohl zu fühlen und ohne ihn - leer.
Meine Mutter seufzt. »Ich weiß!«
Ich bin mir nicht sicher, ob sie von meinem Vater redet oder einem anderen Mann in ihrer Vergangenheit. Vielleicht ist diese starke Art von Liebe einfach nicht lebbar? Romeo und Julia habe das auch nicht hingekriegt.
»Ich will sterben ...«, flüstere ich, obwohl ich etwas ganz anderes sagen wollte.
»Ja, schon gut.« Meine Mutter streichelt besänftigend meinen Arm.
»Ich will die Schule wechseln.«
Sie räuspert sich. »Ist das nicht etwas übertrieben?«
Im Vergleich zu sterben , finde ich es zumindest machbar. Denn die Vorstellung, demnächst Luca und Melanie engumschlungen in der Schule stehen zu sehen, ist einfach unerträglich.
Meine Mutter lächelt. »Das wird schon wieder besser.«
Doch erst einmal wird es nicht
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