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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Elfe.
    Suses einzigen Makel kannten nur vier Menschen auf der Welt. Suses Frauenärztin, ihre Mutter, Janne und ich. Suse hatte zwei unterschiedlichgroße Brüste. Rechts so ungefähr B/C und links ein A–Körbchen.
    Um den Unterschied zu kaschieren, hatte sie sich spezielle BHs anfertigen lassen, deren eine Seite mit einem gummiartigen Material gepolstert war. Dadurch konnte Suse auch enge T-Shirts tragen, ohne dass man den Unterschied bemerkte. Trotzdem litt sie natürlich entsetzlich darunter. Beim Sportunterricht verließ sie die Kabine –mit mir als Bodyguard – immer als Letzte und wie viele Stunden wir schon in Internetforen verbracht hatten, konnte ich nicht mehr nachrechnen. Mittlerweile kannte ich sämtliche Pros für eine Brustoperation auswendig. Für die Kontras sorgten Janne und ich.
    Nachdem Suse mir also ausgiebig von Dimos Songs, Dimos Stimme, Dimos Hintern und dem Muttermal auf Dimos Stirn vorgeschwärmt hatte, landeten wir auch heute zwangsläufig bei ihrem Komplex und ich versuchte mein Glück wieder einmal mit einem Verweis auf Mädchen, die es schlimmer getroffen hatte. Ein aussichtsloses Unterfangen.
    »Lilith Hopf ist mit ihrem Schweinchenrüssel geboren worden«, konterte Suse wie aus der Pistole geschossen, »die hatte ein Leben lang Zeit, sich daran zu gewöhnen. Meine Brüste dagegen waren spiegelgleich, warum in aller Welt konnte sich die rechte nicht zufriedengeben und musste weiterwachsen?«
    »Sieh es doch mal so«, versuchte ich es mit einem Scherz, »wenn Dimo auf einen kleinen Busen steht, kannst du ihn glücklich machen, und wenn er auf einen großen Busen steht, kannst du ihn ebenfalls glücklich machen. Du bist sozusagen two in one.«
    »Sehr witzig.« Suse verschränkte die Arme vor ihren ungeliebten Körperteilen. »Lieber sterbe ich als vertrocknete Jungfrau, als mich vor Dimo als Krüppel zu outen. Wenn ich wenigstens Krebs hätte, dann hätte ich zumindest eine Entschuldigung, aber so . . .«
    »Suse! Das meinst du nicht ernst!«
    »Doch!« Wenn es um ihre Brüste ging, kannte Suse keine Grenzen. Aber man konnte es ihr nicht übel nehmen, niemand schaffte es, Suse länger als fünf Minuten böse zu sein.
    Nachdem sie sich beruhigt hatte, surften wir auf YouTube, hörten Coolios neue CD Steal Hear und schrieben auf dem Handy von Suses Mutter einen Hilferuf an deren Steuerberater. Die beiden hatten seit einem halben Jahr ein Verhältnis miteinander. Vor ein paar Wochen war Suses Vater deshalb ausgezogen und Suse hasste den Neuen ihrer Mutter wie die Pest.
    »Liebling, mein Auto hat eine Panne«, diktierte sie mir, weil ich schneller tippen konnte. »Ich stehe an der Raststätte, erste Ausfahrt nach Hannover. Der ADAC kommt erst in drei Stunden. Kannst du mich retten? Ich verzehre mich nach dir. Dein Schneckchen.«
    »Schneckchen?« Ich prustete los. Suses Mutter war eine gertenschlanke Frau und gab in Hannover Zeitmanagementseminare für Führungskräfte.
    »Sie nennt sich Schneckchen? Und wo steckt sie in Wirklichkeit?«
    »Krank im Bett«, sagte Suse mit einem triumphierenden Grinsen. Sie riss mir das Handy aus der Hand und drückte auf Senden . »Jede Wette, dass in den nächsten zehn Sekunden eine Antwort kommt?« Suse legte das Handy auf ihre Handflächen – und da war sie auch schon.
    Bin unterwegs. Rühr dich nicht vom Fleck, die Rettung naht. Dein Zahlenhengst.
    Ich glotzte auf das Display. Er hatte wirklich Zahlenhengst geschrieben. »Mir wird schlecht«, sagte ich und schickte einen stummen Dank in den Himmel, dass ich von solchen Familienproblemen verschont geblieben war. Suse hatte wirklich ernstere Sorgen als zwei unterschiedlich große Brüste, aber ich war froh, dass sie es in diesem Fall mit Humor nahm.
    Bei der Vorstellung, wie Schneckchens Zahlenhengst jetzt in seinen Sportwagen stieg und mit zweihundert Sachen gen Hannover brauste, kreischten wir vor Lachen. Coolio rappte Keep it Gangsta, und als Janne von der Arbeit kam und ihren Kopf in mein Zimmer steckte, erzählten wir ihr von der SMS.
    Sie musste ebenfalls lachen. »Wenn dir deine liebeskranke Mutter auf den Geist geht, findest du bei uns immer Asyl, das weißt du, Suse, oder?«
    Suse nickte. Schon oft hatte ich vermutet, dass Janne für sie die Mutter war, die sie sich immer gewünscht hatte. Suse und ich kannten uns seit der Grundschule und unsere Wohnung war ihr zweites Zuhause.
    Ich holte uns gerade zwei Teller mit Quiche aus der Küche, als mein Handy klingelte. Am anderen Ende war Sebastians

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