Lucy im Himmel (German Edition)
nicht. Ich schwöre. Daran habe ich nicht im Mindesten gedacht.«
»Ist ja gut, Lucy«, lenkte Gabriel ein. »Nach dem, was gestern Nacht im Bett passiert ist, glaube ich dir das sogar – zumindest fast. Aber jetzt sollten wir uns schnell etwas überlegen, solange er unter der Dusche steht.«
Allmählich fragte ich mich wirklich, ob Gabriel eigentlich noch etwas anderes tat, als mich und meinen Mann zu beobachten.
»Wenn du wüsstest, was ein Erzengel so alles gleichzeitig erledigen können muss, würdest du mich glatt für eine Frau halten«, meinte er dann auch prompt mit einem Schmunzeln in der Stimme. »Aber dann müsste ich dir verraten, dass Engel beiderlei Geschlechts sogar noch multitaskingfähiger sind als Frauen.« Er räusperte sich. »Also, Lucy, warum gehst du nicht mit deinem Mann zum Joggen? Ich bezweifle allerdings, dass das in diesen roten Knöchelbrecherschuhen klappt. Und danach könntet ihr wirklich raus ins Grüne fahren: Legt euch an einen ruhigen See, lass Gregor wieder ein bisschen dösen und schick ihm von Zeit zu Zeit den einen oder anderen Gedanken, der seinen Blick nach vorne richtet.«
Im Anschluss an das Telefonat rannten wir tatsächlich, ganz wie Gabriel es vorgeschlagen hatte, kreuz und quer über die nahegelegenen Felder und nahmen auf dem Rückweg schließlich beim Bäcker eine Tüte frische Brötchen mit. Zu Hause stellten wir uns flugs unter die Dusche, bevor wir auf der Terrasse hinter dem Haus gemütlich frühstückten beziehungsweise mittagstückten. Die ganze Zeit achtete ich darauf, dass mein Mann die beim Joggen freigesetzten Endorphine in vollen Zügen genoss – und es nicht mitbekam, wenn ich heimlich in sein Honigbrötchen biss, während er in der Zeitung blätterte.
Anschließend packten wir die Badesachen zusammen und fuhren an den Dechsendorfer Weiher, wo wir uns ein gemütliches Plätzchen suchten und in die Sonne legten. Ich hatte es mir gerade erst auf unserer Decke bequem gemacht, als ein Unbekannter am Ufer angejoggt kam und überrascht bei meinem Göttergatten stehen blieb. Mir war der Sportler zwar noch nie untergekommen, Gregor musste ihn jedoch ganz gut kennen, denn er wusste, dass sich der andere vor kurzem von seiner Frau getrennt hatte. Der Unterhaltung entnahm ich, dass er ein Kollege von der Polizei war, der offenbar beim Spezialeinsatzkommando arbeitete. Schließlich stand mein Mann auf und ging mit ihm einen Kaffee trinken.
Nach kurzem Abwägen entschied ich, die beiden nicht zu begleiten; wie allseits bekannt, gestalten sich Männergespräche mitunter extrem langweilig. Stattdessen wollte ich lieber ein bisschen schwimmen gehen.
Leider war das Wasser nicht annähernd so warm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das war jedoch zweitrangig, denn etwas viel Schlimmeres wurde mir fast zum Verhängnis: Ich bekam mitten im See einen tierischen Wadenkrampf, der mich unter die Oberfläche zog. Ich ruderte mit den Armen, bekam Wasser in die Nase, japste nach Luft. Das volle Programm eben. Wäre ich mit der Situation nicht so heillos überfordert gewesen, hätte ich mir vielleicht keine Gedanken gemacht, weil mir klar geworden wäre, dass man schließlich kein zweites Mal sterben konnte. Aber die Zeit für solche Überlegungen blieb mir nicht, da mein Hirn den Dienst quittierte und auf »automatisches Notfallmanagement« umschaltete, nachdem ich zum ersten Mal eine gehörige Portion Wasser geschluckt hatte.
Plötzlich packte mich von hinten eine Hand, hielt meinen Kopf nach oben und zerrte mich Richtung Ufer.
»Bleiben Sie auf dem Rücken liegen und zappeln Sie nicht so rum!«, herrschte mich eine Frauenstimme an, als ich versuchte, mich umzudrehen und an ihr festzuklammern. »Halten Sie das Bein gestreckt, aber winkeln Sie den Fuß und die Zehen ab, wenn das geht. Und konzentrieren Sie sich darauf, ruhig zu atmen.«
Ich tat wie befohlen. Es half wirklich. Der Krampf ließ allmählich nach, und bis sie mich am Ufer ins Gras zog, war er vorüber. Ganz vorsichtig bewegte ich meine Zehen. Der Krampf kehrte nicht zurück.
»Na also, geht doch schon wieder«, kommentierte die Frau.
Ich sah zu ihr auf. Sie war ein paar Zentimeter kleiner als ich, dafür – quasi zum Ausgleich – ein wenig kompakter. Allerdings mit den Rundungen an den richtigen Stellen. Zwischen ihren vollen Brüsten schlängelte sich eine Tätowierung aus ihrem Badeanzug zur Schulter. Ihr
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