Lucy & Olivia - Die Vampirprüfung
den Grill.
Mr Daniels nahm schnell Olivias vegetarischen Hamburger – der inzwischen verkohlt war und qualmte – hoch und schwenkte ihn mit der Zange durch die Luft. »Ist der jetzt wohl gar?«
Mrs Abbott wollte Olivia später bei Lucy abholen, also beschlossen die Schwestern, von Brendan aus dorthin zu laufen. Die meiste Zeit des Wegs über sagten sie nicht viel. Olivia dachte darüber nach, wie es wohl wäre, Vampire als Eltern zu haben. Die Daniels waren die ersten erwachsenen Vampire, die sie kennengelernt hatte. In mancher Hinsicht waren sie genau wie normale Eltern. In anderer kamen sie ihr viel … wissender vor.
Als sie die lange, von kahlen Bäumen gesäumte Auffahrt hochgingen, schnalzte Lucy nachdenklich mit der Zunge.
»Woran denkst du?«, fragte Olivia.
»An die ASMM «, antwortete Lucy. »Und daran, dass es vielleicht an denen liegt, dass es keine Akte über meine Adoption gibt. Sie könnten es vertuscht haben.«
»Warum sollten sie?«
»Vielleicht haben sie versucht, meine Beziehung zu einer menschlichen Schwester zu unterbinden«, spekulierte Lucy, während sie die Eingangstür aufschloss. »Nach allem, was wir wissen, haben sie unsere Trennung von Anfang an organisiert.«
Bei dem Gedanken lief es Olivia kalt den Rücken herunter. Ihre Augen brauchten einen Augenblick, bis sie sich an die dämmrige Beleuchtung in Lucys Eingangshalle gewöhnt hatten, aber ihre Schwester ging bereits aufs Wohnzimmer zu. Olivia eilte ihr hinterher.
Als sie unter dem Torbogen zum Wohnzimmer durchgingen, blieb Lucy wie angewurzelt stehen, und Olivia rannte direkt in sie hinein. Über die Schulter ihrer Schwester hinweg konnte Olivia den Rücken einer gespenstischen Gestalt in einem schwarzen Anzug sehen, die mitten im Wohnzimmer stand.
Die ASMM !, dachte Olivia.
Der Mann drehte sich um und sah die Mädchen ernst an.
»Hi, Dad«, sagte Lucy.
Lucys Vater stand einfach nur da. Er sagte noch nicht mal Hallo. Schließlich brach Lucy das Schweigen: »Olivia, das ist mein Vater.«
Olivia ging schwungvoll hinüber. »Ich freue mich so, Sie endlich kennenzulernen!«, begrüßte sie ihn herzlich.
Doch Lucy konnte genau sehen, wie ihr Vater den Kiefer aufeinanderpresste. Er zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte Olivia einmal kurz die Hand, ohne
sie dabei anzusehen, bevor er seine Hand schnell wieder zurückzog. Es war, als wollte er sie noch nicht einmal berühren.
Lucys Blut begann zu kochen. Ich kann einfach nicht glauben, dass er solche Vorurteile hat! , tobte sie innerlich.
Sie starrten sich alle an, bis Lucy es schließlich nicht mehr aushielt. »Können Olivia und ich an den Computer?« , fragte sie.
»Nein«, wies ihr Vater sie ab. »Ich muss arbeiten.«
»Es dauert auch nicht lange«, wandte Lucy ein. »Olivia muss sowieso bald nach Hause.«
»Ich habe noch eine Menge zu erledigen, bevor wir umziehen, Lucy«, sagte er kurz angebunden.
Lucy begann plötzlich, verschwommen zu sehen. »Der Scheißumzug interessiert mich nicht!«, brüllte sie. »Olivia interessiert mich. Ich interessiere mich für meine Schwester – im Unterschied zu dir!«
Der Gesichtsausdruck ihres Vaters veränderte sich und sein Blick huschte zum ersten Mal zu Olivia hinüber. »Lucy …«, hob er an.
»Ich interessiere mich für meine wahren Eltern!«, schrie Lucy.
Betroffen schwankte ihr Vater rückwärts und lehnte sich an die Sofakante.
»Tut mir leid, dass ich Sie belästigt habe«, sagte Olivia traurig zu Mr Vega, als Lucy nach ihrer Hand griff und mit ihr hinausmarschierte.
Am nächsten Tag beim Mittagessen sah Lucy, wie Olivia durch die Schulmensa auf sie zukam, und trocknete sich mit ihrer Serviette die Tränen. Sie hatte sich gerade wegen des Streits mit ihrem Vater bei Sophia und Brendan ausgeheult.
»Wie geht es dir?«, fragte Olivia sanft.
Lucy zuckte mit den Schultern. »Es ginge mir besser, wenn mein Dad nicht so engstirnig wäre.« Sie nahm ihre Tasche zur Seite, damit Olivia sich hinsetzen konnte.
»Ich versteh das nicht«, sagte Sophia. »Charles Vega war immer die Art Vampirvater, um den dich alle beneidet haben.« Brendan nickte zustimmend.
»Na, komm«, erwiderte Lucy mit einem Augenrollen. »Er konnte Menschen noch nie leiden.«
»Weißt du noch, als er das Haus dieser Menschendame in L. A. eingerichtet hat?«, warf Sophia ein. »Das scheint ihm nicht viel ausgemacht zu haben.«
»Das war nur eine Kundin«, widersprach Lucy und schüttelte den Kopf. »Wie auch immer«, sagte sie
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