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Lübeck

Lübeck

Titel: Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erlangen Michael Müller Verlag
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Gefangenschaft und
Folter am 10. Juli 1934 tödlich endete: Mühsam war seinem Leitspruch („Sich
fügen heißt lügen“) treu geblieben. Insgesamt verbrachte der radikale
Provokateur, der sich „links von den Parteien“ sah, über sieben Jahre
hinter Gittern, während der Kaiser-, der Weimarer und der Nazizeit. Es bleibt
ein perverser Zynismus seines Lebens, dass Mühsam einmal vorzeitig aus einer
fünfzehnjährigen Festungshaft entlassen wurde: Die stattgegebene
Generalamnestie galt Adolf Hitler.
    Mühsam begann 1897 eine Apothekerlehre in Lübeck, ab 1901 arbeitete er als
freier Schriftsteller in Berlin. Nach ausgedehnten Reisen (Zürich, Ascona,
Paris, Wien) machte er sich durch zahlreiche Publikationen, darunter erste
politische Streitschriften und kabarettistisch-aggressive Chansons, in der
Schwabinger Bohème einen Namen. Er fungierte als Herausgeber zweier
Zeitschriften („Kain – Zeitschrift für Menschlichkeit“, „Fanal“),
schrieb über (Außenseiter-)Themen wie „Die Homosexualität. Ein Beitrag zur
Sittengeschichte unserer Zeit“ (1903) oder „Das Standrecht in Bayern“
(1923), trat als Novemberrevolutionär und Mitglied der bayerischen
Räterepublik in die Öffentlichkeit und erlebte die Ermordung seines
langjährigen Gesinnungsgenossen Gustav Landauer; oft geriet er zwischen alle
Fronten, auch innerhalb des linken Parteienspektrums. „Dass Mühsam trotz
seines streitbaren und rastlosen öffentlichen Engagements alles andere als ein
fanatischer und verbitterter Politikaster war, sondern, in Caféhäusern ebenso
zuhause wie in Arbeiterversammlungen, stets ein warmherziger und liebenswerter
Menschenfreund und zärtlicher Ehemann, das kann man nachlesen in seinen
‚Unpolitischen Erinnerungen‘ (1927–29) und den postum veröffentlichten
Gefängnisbriefen an seine Frau“, erfährt man in einem Literaturlexikon.

    Dem Schriftsteller Erich Mühsam ist es zu verdanken, dass eines der ältesten
Backsteinhäuser von Lübeck noch heute steht. Sein Lehrmeister, der Apotheker
Adolf Brandt, hatte beschlossen, den Profanbau von 1230 abzureißen – er war
unwirtschaftlich geworden. Mithilfe der Gesellschaft zur Beförderung
gemeinnütziger Tätigkeit verfasste Mühsam 1899 als 21-Jähriger (!) anonyme
Aufrufe – und sammelte 25.000 Goldmark. Das Haus, das erst ab 1812, also seit
der Einführung der Gewerbefreiheit durch die Franzosen, als Apotheke genutzt
wurde, konnte gerettet werden. Gegen die alliierten Bomben half dieses
Engagement freilich wenig. Doch erneut fand sich ein Bewunderer: Der Architekt
Carl Mühlenpfordt, kurz zuvor von Hitler geschasst, zog die übrig gebliebenen
Mauern noch während des Krieges hoch. Die teilweise romanische Bausubstanz
beherbergt bis heute eine Apotheke. Die historisch dekorierten Schaufenster und
die originale Einrichtung sind einen Blick wert.
    Nicht nur medizinisch spannend: die Apotheke mit dem Löwen
    Aber auch mit der Löwen-Apotheke verbundene Menschen haben z. T.
Geschichte geschrieben. Zuerst machte der große Giebelbau durch eine
Blaublütige von sich reden: 1375 übernachtete Kaiserin Elisabeth in dem Haus,
das angeblich über eine Brücke mit dem gegenüberliegenden Eckhaus verbunden
war, in dem ihr Mann logierte. Ein Schild in der Königstr. 41 feiert noch
immer den Besuch Karls IV.
    Friedlieb Ferdinand
Runge, der z. B. Anilin und Phenol entdeckte – unentbehrliche Grundstoffe
heutiger Arzneimittel –, absolvierte 1812–16 in diesen Räumen eine
Apothekerlehre. Später sollte er auf Anraten von Goethe als erster Mensch das
Koffein chemisch beschreiben; der Weimarer Klassiker und
(Hobby-)Wissenschaftler sah darin ein geeignetes Gegenmittel zur Schwarzen
Tollkirsche, na ja. Außerdem wurden zwei Töchter von Theodor Schorer, der die
Apotheke 1862–92 führte, berühmt: Cornelia Schorer war eine der ersten
Frauen in Deutschland, die Medizin studierte – und die erste promovierte
Ärztin Lübecks. Ihre zwei Jahre jüngere Schwester Marie ging unter dem
Künstlernamen Maria Slavona als eine der wichtigsten deutschen
Impressionistinnen in die Geschichte ein.
    Dr.-Julius-Leber-Str. 13, www.loewen-apotheke-luebeck.de .
Mo–Fr 8.30–19 Uhr, Sa 10–16 Uhr.
    Wer mag, kann jetzt über den höchsten Punkt der Innenstadt direkt in die
Mengstraße zum Buddenbrookhaus laufen (→ Spaziergang 5). Ansonsten geht es
in der Königstraße weiter, um an den dritten Spaziergang anzuknüpfen.

Spaziergang 3: Günter-Grass-Haus, Willy-Brandt-Haus und

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