Lübeck
berichtet.
Schon 1930 schrieb Thomas Mann über Travemünde in einem kurzen
„Lebensabriß“: „Die lichtesten Zeiten meiner Jugend aber waren die
alljährlichen Sommerferienwochen in Travemünde mit ihren Badevormittagen am
Strande der Ostseebucht und ihren Nachmittagen zu Füßen des fast ebenso
leidenschaftlich geliebten Kurmusiktempels gegenüber der Hotelanlage. Die
gepflegte, geschützte und unbildenlose Idyllik dieses Aufenthalts mit
vielgängigen Table d’hôte-Mahlzeiten sagte mir unbeschreiblich zu; sie
leistete meiner natürlichen, viel später erst leidlich korrigierten Neigung
zu träumerischer Trägheit Vorschub, und wenn die anfangs unabsehbaren vier
Wochen zu Ende waren und es nach Haus in den Alltag ging, so war meine Brust
von dem weichlichen Schmerz der Selbstbemitleidung zerrissen.“
Noch früher, 1901, liest man in den „Buddenbrooks“ aus der Sicht des
Hanno, jenes kleinen, verträumten Kaufmannsjungen, der im Fluidum der
Geldgesellschaft nicht überleben kann: „[W]elch ein Erwachen, am ersten
Morgen, nachdem Tags zuvor das Vorzeigen des Zeugnisses wohl oder übel
überstanden und die Fahrt in der bepackten Droschke zurückgelegt war! Ein
unbestimmtes Glücksgefühl, das in seinem Körper emporstieg und sein Herz
sich zusammenziehen ließ, schreckte ihn auf … er öffnete die Augen und
umfaßte mit einem gierigen und seligen Blick die altfränkischen Möbel des
reinlichen kleinen Zimmers … Eine Sekunde schlaftrunkener, wonniger
Verwirrung – und dann begriff er, daß er in Travemünde war, für vier
unermeßliche Wochen in Travemünde!“
Wer mehr wissen will: Volker Hage hat ein wunderbares Buch über Thomas
Manns Travemünde geschrieben, „Eine Liebe fürs Leben“ (S. Fischer).
Historisch relevant ist dann noch der Priwall. Die kleine,
etwa 3 km lange Halbinsel gehört seit 1226 zu Travemünde, eine Fähre wird
erstmals 1247 erwähnt. Zur Unterhaltung der Seebadbesucher gab es seit 1883
für die gehobene Bürgerschicht eine Pferderennbahn. Nach dem Ersten Weltkrieg
machte der größte deutsche Land- und Seeflughafen von sich reden. Das
mondäne und gesellschaftlich hippe Treiben des Seebads fand spätestens mit
dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ein vorübergehendes Ende. 1940–44
verwandelte sich der jetzige Yachthafen vor der Viermastbark Passat in eine
Anlegestelle für U-Boote. Beim Ausbaggern des Hafenbeckens versank geradezu
sinnbildlich die Pferderennbahn im Wasser ... Während des Kalten Krieges
verlief auf der schmucken Halbinsel die Zonengrenze zur DDR: Zwei Erdbunker und
ein Führungspunkt zur Grenzüberwachung zeugten von der deutschen Teilung.
1987 musste dann noch die Schlichting-Werft wegen Konkurs geschlossen werden:
Der wichtigste Arbeitgeber brach plötzlich weg. Auf dem Gelände hat sich
heute die feudale Seniorenresidenz Rosenhof niedergelassen (das Apartment
kostet monatlich bis zu 3.600 €). Inzwischen kann man an der Waterkant
kilometerlange Spaziergänge machen – und bisweilen sogar Bernstein
finden.
Travemünde
Sehenswertes
Drei Bahnhöfe
Wenn man Travemünde mit der Bahn erreicht, ist es am sinnvollsten, bei der
zweiten der drei Stationen auszusteigen: dem Hafenbahnhof. So
gelangt man über den Hirtengang und die St.-Lorenz-Straße flugs zum
Ostpreußenkai. Von dort kann man rechter Hand zum Fischereihafen
(Fischbrötchen!) und linker Hand an Trave und Meer entlang bis zum Brodtener
Steilufer spazieren. Das alte, nicht überragend spektakuläre Bahnhofsgebäude
ist ein Backsteinbau mit Sandsteinsäulen (1913). Die Bahnlinie von Lübeck
nach Travemünde gibt es seit August 1882.
1898 entstand der Strandbahnhof , die Endstation. Vor
allem der Uhrenturm mit der ungewöhnlich großen Anzeige – angegeben wird
die jeweils nächste Verbindung nach Lübeck – ist beliebt und ein Hingucker.
Das Backsteingebäude von 1911/12 erbaute man genau wie den Hafenbahnhof und
den Lübecker Hauptbahnhof nach Entwürfen von Fritz Klingholz. Der Strandbahnhof gilt noch heute als bedeutendster Bahnhof
eines deutschen Seebades. Für Reisende, die ohne charmante Umwege
unverzüglich ins Travemünder Touristenbüro (Welcome Center), auf schnellstem
Weg ins Casino oder – wie der Name schon sagt – sofort an den Strand
wollen, ist dieser Ausstieg perfekt geeignet. Alle anderen können ja für die
Rückfahrt in die Lübecker Altstadt den Strandbahnhof ansteuern. Täglich
pendeln ungefähr 30 Züge zwischen Lübeck und Travemünde und bringen rund
1.600
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