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Lübeck

Lübeck

Titel: Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erlangen Michael Müller Verlag
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24 Fluss- und ca. 22
Straßenkilometer vom Altstadthügel entfernt, sollte er zu einem Vorposten der
Hansestadt werden. Die erste Burg errichtete 1187 Graf Adolf III., Sohn des
ersten Lübecker Stadtgründers. Mit dem von Friedrich II. unterzeichneten
Reichsfreiheitsbrief von 1226 (→ Stadtgeschichte), durch den Lübeck Freie
Reichsstadt wurde, bekam Travemünde den Priwall übereignet. Ob vom westlichen
Holstein, dem östlichen Mecklenburg oder den Dänen: Travemünde war begehrt.
Wem auch immer es hoheitlich unterstellt war, hatte die Macht, die Trave dicht
zu machen – und Lübeck wirtschaftlich zu gefährden. 1329 kaufte Lübeck das
strategisch bedeutsame Travemünde, das, von einigen Stadtbränden und
Scharmützeln unterbrochen, jahrhundertelang ein ärmliches,
unterprivilegiertes Dasein führte. Mit den Waren der ankommenden Schiffe
durfte nur in der Altstadt gehandelt werden.

    Erst zu Beginn des 19. Jh. begann die Blütezeit des „Städtgens“, wie
der Stadtteil liebevoll von Einheimischen genannt wird. Eine 1625–32 erbaute
Festungsanlage und eine Zitadelle aus der Lübecker Franzosenzeit (→
Stadtgeschichte) wurden abgerissen. Auf den alten Befestigungen trieb man bis
1882 den Bau des sog. Hafenbahnhofs voran; 1898 führten die Schienen dann bis
zum Strand. Einflussreiche Bürger hatten den ehemals unspektakulären Fleck
1802 zum dritten deutschen Seebad gemacht. Im Gegensatz zu Heiligendamm (1794)
und Norderney (1797), die adlige Gründungen waren, ging das neue Kurbad auf
die Eigeninitiative einer bürgerlichen Aktiengesellschaft zurück. Typisch
lübsch eben!
    Travemündes ältestes (Fischer)Haus
    Nördlich des Leuchtturms entstanden nach Entwürfen von Joseph Christian
Lillie ein Warmbadehaus (1802) am Strand und ein Gesellschaftshaus (1816/17).
Badekarren zur keuschen Bedeckung des in Badegewänder gekleideten Leibes
wurden nach englischem Vorbild gebaut: „Jeder dieser Karren besteht aus einem
kleinen niedlichen Stübchen, mit Stühlen, Stiefelknecht und allen
Bequemlichkeiten, das auf zwei Rädern steht und auf der See-Seite ganz offen
ist. Hat sich nun der zu badende in die kleine Wohnung einlogiert, so wird sie
einige Schritt weit ins Meer hineingeschoben, und er kann sich nun auf einer
vornangebrachten Strickleiter ohne alle Gefahr so tief in die See herablassen,
als er Lust hat“ (Eichendorff). Trotz dieser „Lust“ ging es äußerst
prüde zu, auch noch zur nächsten Jahrhundertwende: Man saß z. B. in voller
Montur im Strandkorb. Die Herren trugen einen Zylinder, die Damen hatten ein
Schirmchen gegen die Sonne aufgespannt. Lediglich die Kinder durften Hosen
tragen, die unterhalb des Knies bis zum Saum der Strümpfe tatsächlich
Schienbein zeigten. Franz Kafka ist noch 1914, wie er am 27. Juli in seinem
Tagebuch schreibt, „durch die nackten Füße als unanständig aufgefallen“.
Erst Mitte der 1920er-Jahre wird das sog. „Freie Baden am Strand“ von
offizieller Seite genehmigt.
    Weniger prüde zockte man im Casino. Dank der Dampfschiffverbindungen nach
Kopenhagen (1824), St. Petersburg (1828) und Riga (1830) sowie der Tatsache,
dass Travemünde weltbekannt und en vogue geworden war, erreichten neben dem
spielsüchtigen Dostojewski (er war auf der Flucht vor Gläubigern) auch Munch,
Gogol, Turgenjew (er erlitt Schiffbruch vor Travemünde), der schon zitierte
Eichendorff, Matthias Claudius, Wilhelm Raabe und Richard Wagner den neureichen
Kurort – nicht zuletzt wegen der Spielbank, die von 1825 bis 1872 brummte.
Seit 1949 brummt sie wieder. Klugerweise gemeindete Lübeck das Seebad 1913 ein
und verdient sich mit dem Casino immer noch eine goldene Nase. Etwa 1,8 Mio.
Euro spült es jährlich in die sehr leeren Kassen der Hansestadt.
    Thomas Mann und
Travemünde
    Am 10. Juni 1953 ist es soweit. Nach einer langen, bewussten Abstinenz von
Deutschland, die der „sehr korrekt wirkende Herr“ mit dem „grauen Ulster,
grauem Hut und Schirmstock“ (Lübecker Nachrichten) in den Vereinigten
Staaten und in der Schweiz verbracht hatte, reiste der 78-jährige
Schriftsteller mit seiner Frau Katia, „einer gut aussehenden Dame mit
kurzgeschnittenem Silberschopf“, nach Lübeck, vielmehr: schnurstracks nach
Travemünde. „Oh ja, ich gestehe – ich bin recht, recht ergriffen! Richtige
Seeluft, die hier, wo ich zu Hause war, rauher ist als drüben am Strand des
Pazifik!“ Hans Schrem, der Chefredakteur der Lübecker Nachrichten, darf mit
dem Ehepaar Mann zu Mittag essen – und

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