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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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mussten sich gegenseitig ausreden, Eduardos Familie vom Fleck weg zu adoptieren und sie mit in ihre winzige, fahrstuhllose Wohnung an der Ludlow Street zu nehmen, die nicht mal ihnen gehörte.
    Inzwischen raubte ihr das Visaproblem nachts den Schlaf. Lula redete sich ein, sich keine Sorgen machen zu müssen, die Regierung hatte noch genug Leute auszuweisen, bis sie zu ihr kämen. Abräumer wie Eduardo, arabische Ingenieurstudenten, Horden von Taxifahrern und Putzleuten. Andererseits, wen würde ein gelangweilter, geiler Typ von der Einwanderungsbehörde wohl lieber in Abschiebehaft nehmen: Eduardo, irgendeinen jemenitischen Knacker mit Scheitelkäppchen oder zwei sechsundzwanzigjährige albanische Mädchen mit glänzendem Haar und ansehnlichem Vorbau?
    Lula und Dunia hatten sich eine Zweizimmerwohnung in der Lower Eastside mit einem ukrainischen Mädchen geteilt, einer arbeitslosen Zahnarzthelferin, die nie da war, und einer Bohnenstange aus Weißrussland, die als Model arbeiten wollte und ihnen einen Mietnachlass gewährte, wenn sie vorgaben, ihre Kotzerei im Bad nicht zu hören. Lula sagte, sie müssten etwas wegen ihres Einwandererstatus unternehmen, aber Dunia meinte, wenn sie gar nichts täten, würde etwas Gutes passieren. Dunias Mutter war Anhängerin der Christlichen Wissenschaft, eine Seltenheit in Albanien, und manchmal hörte Lula die sanfte, andächtige Stimme der Mutter unter dem heiseren Raucherkrächzen der Tochter heraus. Lula glaubte an Wachsamkeit, an Notfallpläne, an gesunden Menschenverstand. Dunia hatte schon oft gemeint, Lula solle sich als einen Menschen sehen, dessen Glas halb voll ist statt halb leer. Nach Lulas Meinung glichen sie und Dunia sich aus, halb leer und halb voll, aber mit Dunia konnte man nicht streiten, daher ließ sie es.
    Als Lula ihr Mister Stanleys Craigslist-Anzeige zeigte – »Geschiedener Mann sucht Betreuung für Sohn im Teenageralter, Baywater, New Jersey, zehn Meilen vom Zentrum Manhattans« –, hatte Dunia gesagt: Zehn Meilen, wenn du schwimmst. Dunia hatte ebenfalls behauptet, dass ein slowakisches Mädchen, das sie kannte, sich auf so eine Anzeige gemeldet habe, und es habe sich als Begleitservice herausgestellt. Dunia, das Genie, war jetzt wieder in Tirana. Zumindest hoffte Lula das. Kurz nachdem Lula nach New Jersey gezogen war, hatte Dunia angerufen, über des Getöse im La Changita hinweg auf Albanisch (das sie inzwischen kaum mehr benutzten) gebrüllt, zwei Männer in schwarzen Anzügen hätten im Restaurant nach ihr gesucht, und sie werde heimreisen, bevor man sie abschob. Seitdem waren Lulas E-Mails zurückgekommen, und niemand hatte abgenommen, als sie Dunias Mutter in Berat anrief. Sie hatte auf Facebook und MySpace nachgeschaut, aber Dunia war nicht da. Sie versuchte nicht daran zu denken, was ihrer Freundin passiert sein könnte. Und wenn diese Männer in Schwarz was Schlimmeres gewesen waren als Beamte der Einwanderungsbehörde? Lula wusste nicht, wie sie nach Dunia suchen sollte, außer nach Albanien zurückzukehren und einen Privatdetektiv anzuheuern.
    Lula und Mister Stanley hatten sich zu einem ersten Treffen im Financial District verabredet, auf einen Kaffee. Selbst im Dämmerlicht von Starbucks war klar, dass Mister Stanley nicht nach einer Freundin suchte oder auch nur nach gelegentlichem Sex, sondern, wie es in der Anzeige stand, nach einer verantwortungsbewussten Person, die auf seinen Sohn aufpasste. Aus der Ferne hatte Lula ihn als einen depressiven Buchhalter mit mittlerem Einkommen eingeschätzt, aber aus der Nähe entpuppte er sich als depressives höheres Tier, was bedeutete, er konnte Lula für beinahe Nichtstun gut bezahlen. Bei dem Vorstellungsgespräch erklärte Mister Stanley, seine Frau habe ihn und Zeke verlassen – allein gelassen – und sei in die norwegischen Fjorde gereist, weil sie einen Neuanfang wollte, irgendwo, wo es sauber und weiß war.
    »Ginger«, sagte er. »Meine Frau.« Seine Stimme hatte den gepressten, leicht näselnden Klang eines Menschen, der an chronischer Nebenhöhlenentzündung leidet.
    »Das ist ja zum Schreien«, hatte Lula gesagt. Ihr kam es komisch vor, eine Frau namens Ginger – Ingwer. Warum nicht gleich Salz? Und sie fand es komisch, dass eine Frau etwas Weißeres wollte als Mister Stanley.
    Dann hatte Mister Stanley ihr erzählt, dass sich bei Ginger kurz vor ihrem Weggang eine ernsthafte Geisteskrankheit entwickelt hatte – sich zu entwickeln begonnen hatte. Er hatte Lula den Kopf zugeneigt,

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