Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)
hatte die ganze Zeit Kontaktlinsen an, und das heißt, dass er alles, einfach alles gesehen hat!«
»Da bin ich aber selber ganz baff«, sagte ich. »Ich wusste gar nicht, dass Alex Kontaktlinsen hat! Tut mir Leid, Carla.«
»Was nutzt mir das jetzt noch«, sagte Carla. »Ich habe das einzig Richtige getan und mich aus seiner Wohnung geschlichen, als er im Bad war. Ich wollte mir und ihm die Demütigung ersparen …«
»Welche Demütigung?«, fragte ich, aber da war es 11.45 Uhr, und das Telefon klingelte.
Es war Alex. »Du hast mein Leben zerstört«, sagte er.
»Oh, hallo, Tante Frieda«, sagte ich. »Das tut mir aber Leid, dass es dir nicht gut geht.«
»Du hast mich mit dieser Frau bekannt gemacht«, fuhr Alex fort. »Ich habe gleich gesagt, sie ist der bindungsscheue Typ, und sie wird mir das Herz brechen. Das habe ich doch gesagt, oder?«
»Ja, das hast du, Tante Frieda. Was ist denn genau passiert?«
»Wir hatten eine wunderbare Nacht, eine wirklich tolle Nacht, jedenfalls dachte ich das, aber Carla hat das wohl anders gesehen. Als ich heute Morgen aus dem Badezimmer kam, war sie einfach abgehauen. Ohne ein Wort, ohne einen Zettel, ohne irgendein Zeichen.«
»Tja, das ist wirklich traurig, Tante Frieda. Aber vielleicht ist dein Hündchen ja nur weggelaufen, weil es Angst hatte. Wie wär’s denn, wenn du herkämst? Dann könnten wir es vielleicht alle zusammen suchen.«
»Warum nennst du mich eigentlich die ganze Zeit Tante Frieda? Mir geht es wirklich beschissen. Ich habe mein Herz an diese Frau verloren.«
»Na, vielleicht findest du es ja hier wieder, Tante Frieda«, sagte ich, »du weißt doch, dass es schon ein paarmal alleine hergekommen ist.« Endlich kapierte Alex, was ich meinte.
»Ich bin sofort da«, sagte er.
Als ich auflegte, lächelte ich Carla entschuldigend an: »Unserer Tante Frieda ist schon wieder der Hund abgehauen. Das macht er einmal im Monat, und die arme alte Dame regt sich immer schrecklich auf.«
»Hm«, machte Carla, strich Leander über das flaumige Köpfchen und sah schrecklich traurig aus. Bis 12.01 Uhr, als nämlich Alex im Zimmer stand und sie das Baby vor lauter Schreck beinahe fallen gelassen hätte. Ich nahm es ihr sicherheitshalber aus den Armen und ging aus dem Zimmer.
»Ihr beiden habt jetzt sicher eine Menge zu besprechen«, sagte ich.
Um 12.30 Uhr kam Justus, und er hatte ein tränenreiches Gespräch mit Jost, Mama und mir, in dessen Verlauf er versprach, sich von nun an viel besser um Toni zu kümmern, sie an den Wochenenden nicht mehr allein zu lassen und nachts auch mal aufzustehen, wenn die Kinder wach wurden. Außerdem schwor er, den Filialleiter zu verklagen, ja, wenn es sein musste, die ganze Supermarktkette. Und wenn Toni unbedingt ein Au-pair-Mädchen haben wollte, sollte sie es auch bekommen. Wenn sie doch nur wieder wohlbehalten nach Hause zurückkehrte.
Um 12.59 sagte Mama, dass sie sich dasselbe von Jost wünsche. Jost neigte den Kopf und sagte, dass er darüber nachdenke. Draußen vor dem Fenster mähten Philipp und Henriette den Rasen. Finn hielt in meinem Bett ein Mittagsschläfchen. In der Küche saßen Alex und Carla mit dem Baby und sahen sich verliebt in die Augen.
Um 13.45 Uhr stellte Philipp den Rasenmäher aus (es war Mittagspause und überdies Sonntag, aber er hatte den ganzen Rasen gemäht, ohne sich um das Gemecker der Nachbarn zu scheren) und verkündete aller Welt, dass er vorhabe, ein besseres Abitur zu machen als ich. Wenn nur Jost zurück nach Hause käme.
Jost sagte, er denke darüber nach.
Um 14.34 kam meine Mutter mit einem riesigen Paket Kuchen vom Bäcker. Es war das erste Mal, dass sie den Sonntagskuchen nicht selber gebacken hatte, und es war das erste Mal, dass er schmeckte.
Da sagte Jost, er wolle losfahren und seine Sachen aus dem Hotel holen.
Um 16.30 Uhr erreichten wir endlich ein Hotel, in dem sich eine gewisse Antonia Knobloch angemeldet hatte. Natürlich ging sie nicht ans Telefon.
Justus wollte sofort hinfahren und die Tür aufbrechen.
»Immer langsam mit den jungen Pferden«, sagte ich. »Wie wäre es denn, wenn du vorher noch einen Strauß Blumen besorgst und ganz vorsichtig anklopfst, hm?«
»Du könntest dich als Zimmerservice ausgeben«, schlug meine Mutter vor. »Und lass dir nur Zeit. Wir können die Kinder die ganze Nacht hierbehalten.«
Um 16.35 fuhr Justus zu Toni, und Carla und Alex brachen mit Leander und dem Kinderwagen zu einem längeren Spaziergang auf. Finn und Henriette spielten
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