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Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Marie Käfer
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ich gleich, Frau van Goch. Vorab bitte ich Sie, mir auf die Sprünge zu helfen. Wissen Sie, wer sich so etwas ausdenkt?« Er hält mir die Zeichnung vor die Nase. Dann lehnt er sich zurück und lässt den ›van Goch‹ achtlos auf den Boden gleiten. Seine rechte Hand mit der brennenden Zigarre liegt auf dem Schreibtisch, er blickt mir so streng in die Augen, dass meine Beine anfangen zu zittern. Ich räuspere mich verlegen und beschließe, meinen Arbeitsplatz nicht kampflos aufzugeben. Irgendwie muss ich versuchen, den fristlosen Kündigungsgrund abzuwenden. Ich spüre, wie Schamesröte von meinem Gesicht Besitz ergreift. »Tja, da hat aber einer meine Signatur gnadenlos gefälscht«, sage ich mit trockenem Mund. Ich bücke mich und hebe die Zeichnung auf. »Also wirklich, ich muss sagen, Respekt! Die Zeichnung könnte wirklich von mir sein. Aaaber, Herr Geiger, das ist sie nicht. So etwas würde ich mir niemals erlauben. Außerdem … es wäre ja geradezu lächerlich, wenn ich so eine Schmiererei auf meinem Schreibtisch liegen lassen würde.«
    Er starrt mir noch immer erbarmungslos, ohne mit der Wimper zu zucken, in die Augen. Ich suche nach Worten. »Also, ich kann Sie hier wirklich nicht erkennen, Herr Geiger, das sind doch nicht Sie! Und Frau Piefke …, na ja, bei allem guten Willen, ich muss zugeben, man könnte sie erkennen, aber nein …, nein, doch nicht. Wirklich nicht.« Ich schüttele meinen Kopf so heftig, dass meine Halswirbel knacken. Geiger beobachtet mich stumm, die Zigarre glüht vor sich hin. Ich muss reden, ihn ablenken. »Wollen Sie nicht …«, ich deute zaghaft auf seine Zigarre, »die Asche abstreifen?«
    Nein, will er nicht. Ich plappere weiter. »Also, ich habe da ganz spontan so einige Damen der Reinigungsfirma in Verdacht. Ich meine, wir sind ja schließlich der beste Kaugummihersteller Deutschlands, ach was … Europas, nein Verzeihung, der ganzen Welt. Und da klebt halt hier und da ein Gummy-fresh. Mal unterm Schreibtisch, mal am PC …, das wird eine Putzfrau geärgert haben. Erst kürzlich hatte ich Streit mit einer Dame des Reinigungsteams. Auf meinem Schreibtisch liegt ja immer alles offen herum, na, und ich kann mir denken, dass da eine nach Feierabend ganz ordentlich meine Signatur geübt hat. So nach dem Motto, Rache ist süß . Herr Geiger …? Sie verbrennen sich gleich die Finger.«
    Ich halte kurz inne, schiebe den Ascher unter Geigers rechte Hand und tippe sanft auf die, vor sich hin kokelnde, Zigarre. Das war der Flügelschlag eines Schmetterlings. In diesem Moment kippt Herr Geiger nach vorne und schlägt mit einem dumpfen Knall auf den Schreibtisch. Mir fällt es wie Schuppen von den Augen. Die starren Augen, die starre Körperhaltung! Geiger ist tot, mausetot! Oder doch nicht?
    »Herr Geiger … hallo, Herr Geiger?«
    Ich springe so schnell auf, dass mir schwindelig wird, taste nach seiner Halsschlagader. Roger würde jetzt sagen: » Die Pulskontrolle ist negativ.« Mit zwei Fingern greife ich nach Geigers Daumen, hebe die Hand circa zwanzig Zentimeter hoch und lasse sie los, sie plumpst kraftlos zurück. Als ehemalige Freundin eines Mediziners stelle ich sachlich fest, dass da wirklich nichts mehr zu machen ist. Mir wird kurz schwarz vor Augen, jetzt bloß nicht umkippen! Innerhalb von Sekunden überfliege ich Schreibtisch und Aktenordner, ob dort eine Abmahnung oder Kündigung liegt. Sorry, Herr Geiger, ich will nicht arbeitslos werden. Dann stopfe ich die Zeichnung in meine Jeanstasche. Mit fliegenden Fingern reiße ich einige Kleenex aus der Box, die auf einem Regal steht, und entferne meine Fingerabdrücke auf Geigers Daumen, Schreibtisch, Aktenordner, letztendlich auch von dem ›pffenden‹ Sessel. Man kann ja nie wissen. Anschließend höre ich mich laut dreimal »Hilfe!« kreischen.
    Kurz darauf wird die Tür aufgerissen.
    Bruni erfasst mit einem Blick die Situation und kreischt ebenso laut »Um Gottes willen …!«, eilt zum Telefon und wählt die 112.
    Die Piefke schreit und kreischt nicht, sie führt im Zeitlupentempo beide Hände vor den Mund, ein »Jesses Maria und Josef, Himmel hilf« entweicht ihren Lippen. Anschließend eilt sie, man darf es so aussprechen, zu unserem Ex-Chef und pumpt ihm, mit ihren kleinen geballten Fäusten, auf dem Rücken herum. Bruni hilft bei der ›Rückenmassage‹. Jetzt falle ich in eine Art Schockzustand und sitze wie Renate, meine frühere Lieblingspuppe, am Schreibtisch. Mit weit aufgerissenen Augen, beide Arme

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