Lügen haben rote Haare
kräftig in das Taschentuch. »Nur kurz gratulieren. Also parkte ich meinen Corsa vor dem Haus, nahm die Schachtel mit den Havanna-Zigarren und das silberne Feuerzeug, das er sich so sehr wünschte, aus dem Handschuhfach. Im Affentempo sprintete ich bestens gelaunt in die fünfte Etage. Kurz vor seiner Wohnungstür hörte ich Rogers dunkle Stimme, sie klang irgendwie heiser.
Seine Worte und Tonlage haben sich so in mein Gehirn gebrannt, dass ich sie original wiedergeben kann.
› Ich liebe dich …, ich kann … ohne dich nicht mehr leben … du bist meine Traumfrau. Ohne dich bin ich … eine, eine Luftblase im Universum, ein … einsamer Hirte ohne Schafe. Ein Stuhl ohne Beine.‹«
»Sehr poetisch. Hätte ich Roger gar nicht zugetraut.« Meine Freundin runzelt die Stirn.
»Bruni, vor Freude schossen mir Tränen in die Augen. Ich dachte, Roger übt vor dem Flurspiegel einen Heiratsantrag, verstehst du?«
Bruni nickt.
»Dann hat er gestöhnt und gesagt: › Du bist so gut, Baby … ein richtiges Luder bist du … weißt du das?‹ Das ging mir runter wie Öl. Ich genoss jedes seiner Worte. Und dann hat er laut und deutlich die entscheidende Frage gestellt. › Willst du mich heiraten?‹«
Bruni will etwas sagen, ich lasse sie nicht zu Wort kommen.
»Ich erschrak fast zu Tode, als irgendetwas von innen gegen die Haustür knallte und ein deutliches › Ja‹ sowie der spitze Freudenschrei einer Frau zu hören war. Ich war vollkommen verwirrt und dachte: Moooment mal. Wie kann ich in Rogers Wohnung laut › Ja‹ kreischen, wenn ich nicht in seiner Wohnung bin .«
Bruni ist fassungslos, sie rauft sich ihre kurzen schwarzen Haare. »So ein Schwein.«
Ich nicke zustimmend. »Danach klapperte die Abdeckung des Briefkastens im Sekundentakt. Nach einem Blick durch die metallene Öffnung erkannte ich Rogers nackte Pobacken und die Tatsache, dass Rogers kleiner Mümmelmann im falschen Hasen steckt. Glaub mir, ich war wie von Sinnen. Mit zittrigen Fingern habe ich zwei Havannas ausgepackt, sie so kräftig angeraucht, bis sie glühten wie ein Höllenfeuer.« Ich mache eine feierliche Pause, Bruni hängt an meinen Lippen. »Und dann …, habe ich die Klappe des Briefkastenschlitzes mit dem Feuerzeug festgesetzt … und die glühenden Zigarren, so feste ich konnte, auf seine Arschbacken gedrückt. Das hat vielleicht gezischt und elendig gestunken, bäh!« Ich schüttele mich angewidert. »Dann bin ich abgehauen.«
Bruni lacht spitz auf.
»Warte«, sage ich mit gedämpfter Stimme. »Anschließend bin ich in Rogers Garage und mehrmals um sein Auto gelaufen.« Ich krame in meiner Handtasche nach meinem Haustürschlüssel, an dem ein kleiner Stahlschraubenzieher hängt, und halte das Corpus Delicti vor Brunis Nase. »Scheiße, Bruni, dabei hielt ich dieses Teil so ungeschickt in der Hand, dass der Lack des Audis zerkratzt ist. Sehr zerkratzt.«
Ich halte die rechte Hand mit gekreuztem Zeige- und Mittelfinger in die Luft. »Das ist mir versehentlich passiert. Ich schwöre! Das wird Roger mir nie verzeihen.«
Bruni grinst. »So was kann ja mal passieren. Wenn es dir versehentlich passiert ist, kannst du ja nichts dafür. Außerdem muss er dir erst einmal beweisen, dass du den Wagen demoliert hast. Wenn die Garage offen stand, könnte es jeder gewesen sein, der Spaß am Vandalismus hat.«
Das leuchtet mir ein. Ich nicke so kräftig, dass sich das Haargummi löst und meine roten Locken hin- und herfliegen. Bruni hat es geschafft, mich zu beruhigen.
Die Aktion mit dem Nacktfoto verschweige ich. Heute schäme ich mich ein wenig, dass ich Roger dermaßen lächerlich gemacht habe. Dass das versehentlich passiert ist, kann ich mir nicht einreden.
»Und was willst du jetzt machen?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich werde abwarten, Bruni. Es kommt darauf an, wie er sich verhält. Seit gestern war ich nicht zu erreichen. Ich habe alle Geräte, die irgendwie bimmeln oder schellen, ausgeschaltet.«
Bruni grinst. »Gut gemacht.«
Ich instruiere Bruni, mich am Firmen-Telefon zu verleugnen. Roger wird mit Sicherheit anrufen und wie ein verstoßener Straßenköter um Gnade winseln. Meine, Gott hab sie selig, Oma Fine war immer der Meinung, dass Männer an Hausmannskost gewöhnt sind. Und wenn die gut war, kämen sie immer wieder heim. Ich bin zwar keine gute Köchin, aber ich bin mir sicher, dass meine Mikrowellen-Tiefkühlkost schmackhaft war. Ich nehme mir vor, ihn mindestens einen ganzen Tag lang zappeln zu lassen.
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