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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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sei schrecklich kalt und überhaupt – wieso ich mich denn nicht zurückgemeldet habe, er sei ja noch nicht mal in den Genuß gekommen, wegen meiner bestandenen Prüfung von mir eingeladen worden zu sein – Glückwunsch übrigens – und so weiter und so fort. Ich legte den Hörer neben mich aufs Kissen und schloß die Augen. All die Versprechungen, die er mir gemacht und doch nie eingehalten hatte … Ihn jetzt auflaufen lassen, hieß die Devise. Aber da ich viel zu müde war, um auch nur einen vollständigen Satz zu bilden, hinderte ich Adriano nicht weiter am Herumlamentieren, und auf die Frage, ob ich morgen abend Zeit hätte, murmelte ich ein schwaches »Ja, vielleicht« ins Kopfkissen.
    »Gut, dann um acht im ›Arkadasch‹.«
    Am nächsten Morgen wachte ich gegen elf auf und konnte mich nur vage an die nächtliche Ruhestörung erinnern. Ich machte mir Frühstück, und da es mich langweilte, ganz allein ohne Zeitung und ohne Examensunterlagen an meinem Käsebrot herumzukauen, rief ich Toni an und berichtete ihr von meinem erbärmlichen Seelenzustand.
    »Können wir uns nicht treffen?« jammerte ich. »Dann bin ich wenigstens nicht im Haus und kann auch nicht weiter belästigt werden.«
    »Du hast heute abend sowieso Tannhäuser«, sagte Toni mit noch belegter Morgenstimme, und ich erwiderte: »O Gott. Dashätte ich glatt vergessen.« Toni schlug vor, nach der Vorstellung noch einen trinken zu gehen. Ausnahmsweise mal ohne Bernd.
    Ich fand die Idee ganz ausgezeichnet.
    Den Vormittag brachte ich damit zu, meine Uni-Unterlagen teils zu vernichten, teils abzuheften und alle herumliegenden Mediavistikbücher einzusortieren. Es war ein merkwürdiges Gefühl, die letzten sechs Jahre einfach so im Regal abzustellen. Abgehakt. Als hätte es sie nie gegeben. Und kein Hahn krähte mehr danach, ob ich nun im Philosophenturm meinen Kaffee trank, mir auf dem Campus meine Absätze schieflief oder in der Bibliothek die Unibücher mit dem Saft überreifer Pfirsiche besudelte. Es war ähnlich wie damals nach dem Abi – nur schlimmer. Erst glaubte man, jetzt fange ein Leben in Saus und Braus an, und dann fiel man doch nur wieder in dieses vorhersehbare schwarze Loch, weil man gar nicht genau wußte, was das denn sein sollte – Saus und Braus des Lebens. In der Küche auf einem maroden Holzstuhl sitzen und mit einem Kaffeebecher in der Hand auf die Häuserfront gegenüber starren? Vormittags Talk-Shows im Fernsehen anschauen, weil sie der ideale Kontrast zur höfischen Minne waren? Wie lange konnte man so einen Zustand ertragen? Ehrlich gesagt fühlte ich mich schon jetzt ziemlich miserabel.
    Um mich zu betäuben, fuhr ich in die Stadt, jagte von Laden zu Laden und kaufte überflüssige Dinge wie den dritten Salzstreuer, das zwanzigste T-Shirt und eine Blumenvase, die mir eigentlich nicht gefiel. Zu Hause aß ich rasch ein Tomaten-Mayonnaise-Brot, dann war es auch schon Zeit, zur Oper aufzubrechen.
    Als ich gegen sieben mit drei Flaschen Sekt im Gepäck die Garderobe betrat, waren erst zwei Statistinnen in Kostüm und Maske. Toni stand mit Katrin einen guten Meter von den Waschbecken entfernt – hier war die Beleuchtung die beste – und nähte ein Stück Tüll an Katrins BH.
    »Alkohol!« rief ich in die Runde und öffnete, noch bevor ich meine Jacke ausgezogen hatte, eine der Flaschen.
    »Magister in der Tasche?« fragte Sophie. Sie trug einen hautengen schwarzen Catsuit mit integrierten Riesenbrüsten in Fleischrosa; ihre Lippen waren lilaschwarz angemalt.
    »Ja, alles bestens«, antwortete ich und hatte im selben Moment ihren Lippenabdruck auf der Wange.
    »Note?«
    »Zwei.«
    »Oh. Gratuliere.« Sophie nahm sich einen der Plastikbecher, die Toni aus dem Schrank geholt hatte, und streckte ihn mir gierig entgegen. Ich goß ihr ein, füllte dann auch die anderen Becher voll, bis die Flasche leer war. »Dann hast du jetzt ja massenhaft Zeit.«
    Ich nickte.
    »Und was fängst du an?«
    »Weiß noch nicht …« Ich sagte ihr nichts von meiner mißratenen Lebensplanung.
    »Wirst du bei Aida einsteigen?«
    Wieder nickte ich. Gedankenverloren und ein bißchen lethargisch. Im Laufe meiner Studienzeit hatte ich schon so einige Neuinszenierungen erlebt. Tagelang auf Proben herumhängen, die Eifersüchteleien unter Möchtegerntänzerinnen aushalten müssen, junge Frauen, deren Karriere sich – wenn überhaupt – im Tingeln erschöpfen würde, Sektorgien und sinnloses Blabla in der Kantine, Bühnenluft, die ziemlich schal war; wenn

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