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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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dachte, Karl ist wirklich ein ganz phantastischer Freund.
    *
    Ohne daß ich die Verwandlung richtig mitbekam, war plötzlich der Sommer da. Nachdem ich fast zwei Monate in Berlin in einer WG verbracht und unter Karls Regie die Synchronstimme einer wirklich durch und durch seriösen Kellnerin aus Baltimore übernommen hatte, kehrte ich mit meinem Amphibienbild im Gepäck nach Hamburg zurück, um den H & M-Job endgültig zu canceln und meine letzten Opernvorstellungen in dieser Spielzeit über die Bühne zu bringen.
    Und dann tauchte Toni auf einmal wieder auf. Das heißt, wirliefen uns zunächst zufällig über den Weg – so hatte es zumindest den Anschein. Holte ich mir, bevor ich in die Maske ging, in der Kantine etwas zu trinken, kam wenig später prompt Toni herein, um ein halbes Hackbrötchen mit Zwiebeln und eine große Cola zu erstehen. Zwar vermied sie es, mich direkt anzusehen, aber natürlich merkte ich, wie sie mich immer verstohlen musterte – einmal überwand sie sich sogar zu einem halbgaren Lächeln.
    Ich fand das zwar alles ziemlich nett, aber es reichte mir nicht. Wir waren mal beste Freundinnen gewesen und jetzt dieses verklemmte Gegrinse zwischen Tür und Angel.
    Es war ein Mittwoch, als ich sie mir schnappte. Wieder war sie mir in die Kantine nachgeschlichen, wieder hatte sie sich ein halbes Brötchen – diesmal mit Fleischsalat – und eine Cola geholt. Ich tat, als würde ich sie gar nicht bemerken, griff mir mein Wasser und lauerte ihr draußen vor der Kantinentür auf.
    Wie nicht anders zu erwarten, kam Toni kurz darauf raus, und genau in dem Moment, als sie von ihrem Brötchen abbeißen wollte, entdeckte sie mich. Sie zuckte zusammen; ein paar Brocken Fleischsalat fielen runter.
    »Na? Heute kein Mett?« fragte ich und bemühte mich um einen absolut neutralen Gesichtsausdruck. Um ihr klarzumachen, daß sie keine Chance hatte, an mir vorbeizukommen, stemmte ich meine Arme in die Hüften.
    Toni wurde rot, was mich wirklich wunderte und für einen Moment aus dem Konzept brachte.
    »Nein …«, stotterte sie. »Kein Mett.«
    Das waren die ersten Worte, die sie seit Monaten exklusiv an mich adressiert hatte.
    »Und warum nicht?«
    Als spielte ich eine Rolle in einem Theaterstück, trat ich einen Schritt auf sie zu und reckte mein Kinn ein wenig in die Höhe.
    »Wegen der Bandwürmer. Du weißt schon …«
    Es war wirklich zu absurd, was wir redeten.
    »Nein, keine Ahnung. Und überhaupt – was interessieren mich Bandwürmer?«
    Toni massierte sich die Nasenwurzel und sagte dann mit Blick auf ihr Brötchen: »Okay, Sylvie. Ich bin schwanger.«
    Sie hatte derart schnell gesprochen, daß mein Gehirn eine Weile brauchte, um den Sinn des Gesagten zu entschlüsseln, und als diese Denkleistung endlich vollzogen war, konnte ich erst mal gar nichts erwidern.
    Toni ist schwanger, Toni ist schwanger, wiederholte ich im stillen, während ich auf debile Weise zu grinsen anfing. Toni tat es mir gleich und meinte schließlich mit kratziger Stimme wie nach einigen Gläsern Wodka: »Nun sag doch was!«
    Ich schaute zur Seite, weil ich plötzlich Tränen in den Augen hatte, und das machte bestimmt einen reichlich albernen Eindruck. Außerdem konnte ich sie schlecht fragen, ob Henrik der Vater sei. Kaum hatte ich mich wieder einigermaßen im Griff, sah ich, daß Toni ihr Brötchen mit Heißhunger verspeiste. Einfach so. Als wäre unsere Begegnung hier im unterirdischen Gängegewirr der Oper kein besonders erhabener Moment.
    »Und jetzt?« fragte ich. Es war das einzige, was mir zu dem Thema einfiel.
    »Vierzehnte Woche. Du könntest mir wenigstens gratulieren.« Toni hatte recht, aber statt etwas in der Art zu tun, mußte ich nun doch weinen. In Ermangelung eines Taschentuches zog ich den Rotz teils hoch und wischte ihn teils auf dem Handrücken ab. Toni kaute derweil ungerührt weiter, sie schmatzte, und als sie fertig war, leckte sie sich jeden. Finger einzeln ab.
    »Hör ja auf zu flennen«, herrschte sie mich an und reichte mir den Papierfetzen, auf dem sie eben noch ihr Brötchen balanciert hatte. »Was soll Césare von dir denken?«
    »Césare?« Mir entschlüpfte ein unkontrollierter Lacher. »Wird es ein Junge?«
    Toni nickte andeutungsweise. Vielleicht hatte ich es mir auch nur eingebildet.
    »Völlig durchgeknallt, was? Cé – sa – re!« Ich ließ den Namen auf der Zunge zergehen.
    »Nicht weniger als du.«
    Toni und ich eines Tages auf einem Boot im Mittelmeer, ginges mir plötzlich durch den Kopf

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