Lügen & Liebhaber
den Namen schon mal irgendwo gehört hatte, und dann dämmerte mir noch viel mehr, nämlich, daß ich mit einer Person dieses Namens seit etlichen Stunden im »Arkadasch« verabredet war.
»Ich muß dringend telefonieren«, sagte ich, und erst als ich nach draußen und einmal um die Ecke ins Konversationszimmer der Oper gelaufen war, bemerkte ich, daß mir immer noch die Zigarette im Mundwinkel hing. Rabiat zerquetschte ich sie in meiner Hand und warf sie in den Abfallkorb neben dem Waschbecken. Der Mann hatte aber auch selbst schuld. Mitten in der Nacht anzurufen, weil ihm gerade mal eingefallen war, daß es da noch diese eine Studentin gab, die so naiv gewesen war, sich in ihn zu verlieben … Unschlüssig stand ich vor dem Telefon und wußte so gar nicht, was ich tun sollte. Im »Arkadasch« anzurufen, machte keinen Sinn. Mit Sicherheit war Adriano längst auf und davon. Also seine Privatnummer wählen, die ich bereits nach unserem ersten Date in einem schwachsinnigen Anfall von Verliebtheit auswendig gelernt hatte. Ich ließ es etwa fünfmal klingeln, legte dann einfach auf. Idiot. Wieso war er jetzt nicht zu Hause? Reichlich angenervt ging ich zurück ins »Casse-Croüte«,
»Spinnst du?« rief Toni mir entgegen. Ihr Käseteller war leer, ihr Weinglas auch, und als ich nach meinem Glas greifen wollte, durfte ich feststellen, daß es ebenfalls ausgetrunken war.
»Spinnst du ?« giftete ich zurück und griff nach Tonis Zigaretten.
»Ungehöriges Benehmen muß bestraft werden«, sagte sie nur und lachte scheppernd.
Ich erzählte ihr von der Verabredung, die ich mit Adriano in komatösem Zustand getroffen und jetzt völlig verschwitzt hatte.
»Ist doch nur gut«, meinte Toni. »Dann hat diese gestörte Beziehung endlich mal ein Ende.«
»Wieso gestört?« Während ich das sagte, versuchte ich meinem Glas einen letzten Tropfen Wein zu entlocken.
»Weil du einem Kerl nachhängst, der nie Zeit für dich hat!«
»Er hat Zeit.«
»Wenn du meine Meinung hören willst: Du bleibst überhaupt nur am Ball, weil er sich dir entzieht.«
»Und du redest Unsinn!« Nur weil Toni seit Urzeiten mit ihrem Henrik liiert war, mußte sie nicht andere Leute um deren aufregendes, nicht immer zu planendes Beziehungsleben beneiden.
Ich war schon drauf und dran, unter großem Tamtam den Laden zu verlassen und dabei Gefahr zu laufen, meine einzig wirkliche Freundin zu verlieren, als plötzlich Konstantin in Begleitung von Diego den Laden betrat. Mein Mund öffnete sich wie von selbst, Tonis ebenfalls, vermutlich weil wir beide in diesem Moment der Meinung waren, hier beginne ein fabelhaftes Vorspiel, bevor die beiden Herren irgendwo auf dunklen Parkwegen oder in Diegos Auto zur Paarung schreiten würden. Sie winkten freundlich zu uns rüber, machten aber keine Anstalten, sich zu uns zu setzen.
Zumindest bewirkte dieser Zwischenfall, daß Toni und ich uns nicht mehr stritten, und da ich gerade in großer Versöhnerlaune war, erzählte ich Toni von Karl Armknecht, ließ aber wohlweislich die Dinge aus, die sich unterhalb der Gürtellinie abgespielt hatten.
»Und warst du nicht zufällig mit ihm im Bett?« fragte Toni prompt.
»Natürlich nicht. Er ist doch dick und – na ja – eher unansehnlich. Die vielen Brusthaare, igitt …«
»So was hindert dich?«
»Ach, komm, Toni. Ich hatte vorher noch nie einen, der dick und unansehnlich und …«
»Also hast du doch mit ihm geschlafen!«
»Na ja«, gab ich zu. »Aber nur einmal.«
Toni stöhnte auf und massierte sich die Schläfen. Ich wollte sie nicht länger strapazieren – es brachte nichts, ihr wieder und wieder zu erklären, es sei nicht weiter bedenklich, die eine oder andere Person infolge hormoneller Ausschüttungen etwas näher als üblich an sich heranzulassen, selbst wenn man jemand anderes liebte. Wir hatten schon Nächte damit zugebracht, dieses Thema durchzudiskutieren, und waren uns nie einig geworden. Während ich glaubte, Toni versäume eindeutig etwas, meinte Toni, ich würde systematisch meinem Unglück entgegensteuern, ja, noch schlimmer, ich sei vermutlich schon kreuzunglücklich. Wie konnte sie so etwas behaupten? Frei nach dem Motto Es ist egal, mit wem man schläft, wichtig ist nur, für wen man aufwacht lebte es sich ziemlich gut, und wenn Toni eines Tages an ihrer Spießigkeit erstickte, war das ihr Problem.
»Nur schade, daß du mit den Männern spielen mußt«, beschloß Toni die Diskussion. »Dieser Karl scheint wirklich ein netter Kerl zu
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