Lügen & Liebhaber
– eine schöne Vorstellung. Von mir aus durfte ihr kleiner Césare auch mitkommen – vorausgesetzt, er würde nicht seekrank werden. Wieder mußte ich lachen.
»Was ist los?« fragte Toni.
»Nichts. Gar nichts.«
»Doch!«
»Wenn du willst … Ich hab schon ein Kleid für dich. Aus der Mama-Abteilung von H & M.«
Toni fragte nicht nach – wieso, warum, weshalb –, sie nickte nur und kickte einen kleinen Fleischsalatbrocken unter den Zigarettenautomaten. Dann schlenderte sie gemächlich davon. Vielleicht wollte sie mich damit provozieren, keine Ahnung, jedenfalls konnte ich nichts anderes tun, als ihr einfach nur nachzuschauen. Sie ging ein bißchen watschelig, so wie Schwangere erst wenige Wochen vor der Niederkunft.
Kurz darauf ließ ich mich planmäßig von Stanislaw über die Bühne wirbeln, während Toni genauso planmäßig Mieder festzurrte und Schaumstoffbrüste in Rokokokleider stopfte. Es wird wieder mit Toni und mir, dachte ich, es muß einfach werden. Toni, die Frau mit dem spießigsten Schuhgeschmack in ganz Deutschland, Toni, mein Korrektiv, meine Anlaufstation in düsteren Zeiten. Ich mochte nicht auf sie verzichten, wirklich nicht, und vielleicht würde ich eines Tages auch wieder der gesamten Fötus-Familie unter die Augen treten können, ohne an verkitschte Gondeln denken zu müssen.
Klopfenden Herzens schminkte ich mich nach der Vorstellung ab. Wenn sie nachher auf dich wartet, wird alles wieder gut, falls nicht – ja, was dann? Ich könnte immer noch nach Berlin ziehen, mich voll und ganz in die Arbeit stürzen … Toni, bitte tu mir den Gefallen, nur dieses eine Mal! Und dann kam sie genau in dem Moment die Treppe runter, als ich aus dem Fahrstuhl trat. Das mußte ein Zeichen sein.
»Wann kann ich das Kleid abholen?« fragte Toni, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt.
»Jederzeit.« Ich grinste. »Solange du noch nicht zu fett bist …«
»Miststück!«
»Ja, wahrscheinlich bin ich das.« Ausnahmsweise war es mir völlig ernst.
»Einmal Miststück sei verziehen«, murmelte Toni. »Solange du nicht wieder …«
Sie unterbrach sich und räusperte sich künstlich. Als könne das so etwas wie eine Entschuldigung sein, drückte ich mich kurz an Toni. Sie roch so frisch und lecker wie damals Henrik.
»Gehen wir was essen?«
»Gehen wir was essen«, meinte Toni sachlich.
Dann fuhren wir ins »Abendmahl«, um alles weitere bei einem Glas Wein zu bereden.
ENDE
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