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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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dem Tannhäuser thronte, rasch zur zweiten Gasse, deren Existenz ich nur erahnen konnte …
    Zum Glück lag zumindest Konstantin schon an Ort und Stelle, ich warf mich auf ihn, um zum Takt der Musik mit exzessiven Kopulationsbewegungen auf ihm herumzuturnen.
    »Wo ist der Schweinskopf?« raunte ich ihm ins Ohr.
    »Oh«, sagte Konstantin nur und verbarg sein Gesicht hinter seinen Händen.
    »V ERDAMMT , DER S CHWEINSKOPF ! O HNE DEN VERDAMMTEN S CHWEINSKOPF BIN ICH AUFGESCHMISSEN !«
    Tatsächlich war ich einem Tobsuchtsanfall nahe. Bei jeder vorhergegangenen Vorstellung mit Andreas als Partner hatte mir dieser am Ende unseres Aktes den Schweinskopf überreicht, ich war dann aufgestanden, angestrahlt von bläulichen Scheinwerfern, und während sich die ganze Truppe mit schlängelnden Bewegungen auf dem Boden verteilt hatte, war ich in meinen Spangenpumps über die Breitseite der Bühne gestöckelt und in der gegenüberliegenden Gasse abgegangen.
    Und jetzt? Die schiere Verzweiflung packte mich, als ich mich ohne Requisite in den Händen erhob, es fiel auch keine aus der Obermaschinerie, aus dem Augenwinkel sah ich Bernd auf der Damenseite in der Gasse stehen und mit dem Schweinskopf herumfuchteln, aber zu spät. Ich war nackt, ausgeliefert, doch noch während ich den ersten Schritt machte, redete ich mir ein, das Publikum wird es ganz anders sehen, niemand weiß von der Existenz eines Schweinskopfes. Mit einem Quentchen mehr an Sicherheit stelzte ich über die Bühne, ich reckte meine Arme entschlossen nach oben, und kurz bevor ich auf der anderen Seite der Bühne angelangt war, baute ich spontan eine Pirouette ein. Kaum war ich für das Publikum außer Sichtweite, fing ich an zu taumeln, ging zu Boden und bekam statt des zu erwartenden Weinkrampfes einen Lachanfall. Sofort waren etliche Menschen um mich herum, Statisten, unser Ballettmeister Diego und meine Chefin, man wollte mich beruhigen und begriff nicht, daß ich gar nicht weinte.
    Im Grunde genommen war mir der Vorfall schnurzegal. Einerseits peilte ich keine Bühnenkarriere an, andererseits hatte nicht ich Mist gebaut, sondern vornehmlich Konstantin, in zweiter Linie aber auch Bernd, der ja mal etwas eher auf die Idee hätte kommen können, seinen Schweinskopf an den Mann zu bringen.
    »Du mußt dich umziehen.« Diego klopfte mir auf die Schulter und lächelte. Zum ersten Mal fiel mir auf, daß seine Schneidezähne stümperhaft überkront waren. »Hast gut die Kurve gekriegt.«
    Ich lächelte dankbar zurück und fragte mich, wieso mich nach meiner Magisterprüfung mit letalem Ausgang so eine Vorstellung überhaupt noch aufregen konnte.
    Eilig verzog ich mich hinter den Prospekt. Dort hielt Toni schon meinen Umhang für den nächsten und letzten Auftritt bereit.
    »Klasse Vorstellung«, sagte sie und grinste wie die Karikatur ihrer selbst.
    »Mistkerl«, schimpfte ich, während ich mich mit Tonis Hilfe aus dem zu engen Unterrock schälte.
    »Hättest du ihn damals erhört, wäre das sicher nicht passiert!«
    Ich sagte nichts, schnaubte nur in mich hinein.
    »Kleine Rache gefällig?«
    »Ach!« Mit Karacho schleuderte ich Toni meine Spangenpumps vor die Füße. »Der Kerl hat seit Jahrhunderten keine einzige Probe mitgemacht und traut sich trotzdem alles zu.«
    »Deine Pirouette sah ganz allerliebst aus«, flötete Toni, wofür ich sie gut und gern hätte k.o. schlagen mögen.
    »Dabei hab ich ihm direkt vorher gesagt, er soll an den Schweinskopf denken!«
    Toni legte mir den schwarzen Umhang um und schloß den Klettverschluß am Hals so eng, daß ich fast das Würgen kriegte.
    »Und jetzt noch dieser dämliche Strip«, stöhnte ich.
    »Ich beneide dich jedesmal von neuem!« Toni grinste.
    »Dann sollten wir wohl die Jobs tauschen.«
    Mit diesen Worten, humorlos an die Obermaschinerie adressiert,ging ich wieder auf die Herrenseite, wo Sophie und Katrin bereits warteten.
    Rückert kam anmarschiert und streckte seine Dreckspfoten nach Katrin aus. Klar, sie war ja auch die jüngste von uns.
    »Frischfleisch an die Macht«, murmelte ich, und dann waren wir draußen im Scheinwerferlicht.
    *
    Eine Stunde später saß ich mit Toni bei einem unverschämt teuren Glas Wein im »Casse-Croûte«, nahm eine von Tonis Light-Zigaretten und nuckelte daran herum.
    »Wie läuft’s eigentlich mit Adriano?« fragte sie, während sie ein Stück grünlichen, streng riechenden Käse akribisch auf einer Baguettescheibe verteilte.
    Adriano, Adriano … Langsam dämmerte mir, daß ich

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