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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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hatte, damit ich mir ein paar nette Slingpumps kaufen konnte, stellte sich ein Mann mittleren Alters neben mich und schielte mich von der Seite an. »Oh yeah, the deep drives of the flesh …«, ließ er verlauten, woraufhin ich mich schnellstens aus dem Staub machte. Ich hatte genug gesehen und wollte keinen Mann, der mir – in welcher Sprache auch immer – ein Gespräch aufzwang.
    Draußen war die Luft schon wieder badewannenwasserwarm. Mit dem Stadtplan in der Hand arbeitete ich mich bis zur Fußgängerzone vor, um erst mal in einem Café französischer Prägung einen ziemlich starken Kaffee zu trinken. Den Rest des Tages brachte ich damit zu, die Stadt zu durchwandern, immer auf der Suche nach Inspiration und Schuhen – nichts von alldem fand ich –, und als ich gegen Abend meinen Aperitif auf der Plaza Mayor trank, hielt ich es wirklich für angebracht, endlichmein Leben zu planen. Leicht angeduselt teilte ich eine Serviette in zwei Teile. Auf den einen Teil schrieb ich eine realistische Einschätzung meiner Situation (weiter an der Oper jobben, etwas anderes jobben, Doktorvater suchen, Volontariat anpeilen, mich nicht mehr in unnütze Männergeschichten verstricken …), auf den anderen reizvolle Spinnereien (etwas Großartiges tun, mir und der Menschheit einen Dienst erweisen, eine Erfindung patentieren lassen, Nobelpreis bekommen …). Dann trank ich einen zweiten Aperitif und war um so mehr der Meinung, daß ich den ersten Teil der Serviette einfach vernichten sollte. Was ich dann auch tat. In tausend Stücke reißen und ab damit in den Aschenbecher. Teil zwei zerknüllte ich und stopfte ihn, bevor ich essen ging, in die Hosentasche.
    Als ich am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe auf meinen Flieger wartete und den Zettel wieder hervorkramte, fand ich, daß ich wohl nicht mehr ganz bei Trost war und die Reise zumindest in Hinblick auf meine Lebensplanung rein gar nichts gebracht hatte.
    Dann wurde zum Glück schon mein Flug aufgerufen, ich stieg ins Flugzeug, und kaum hatte ich mein Handgepäck verstaut und mich festgeschnallt, quetschte sich ein pausbäckiger Typ neben mich, den ich erst für einen Spanier hielt, der dann aber mit der Stewardeß feinstes Berlinerisch sprach und vermutlich noch nicht mal spanische Vorfahren hatte. Ohne daß ich ihn darum gebeten hatte, reichte er mir seine Hand und stellte sich mir vor. Karl Armknecht. Und ohne daß ich so freundlich war, mich ebenfalls vorzustellen, begann er eine Unterhaltung über die Flugzeugkost, die seiner Ansicht nach erbärmlich war, besonders auf der Strecke Hamburg–Madrid – das einzig vernünftige Menü sei ihm mal auf einem Flug nach Rom serviert worden.
    »Fliegen Sie nur, um schlecht zu essen?« fragte ich, weil das Flugzeug startete und ich mich von meiner Angst ablenken wollte.
    »Ich will nicht schlecht essen, nur weil ich fliege«, konterte Karl Armknecht, ohne seinen Blick von mir zu lassen.
    Das Flugzeug hatte gerade abgehoben und seine Räder eingezogen, ein Moment, der mir grundsätzlich die Sprache verschlug. Man hing in der Luft, konnte nicht mehr zurück, weder aussteigen noch den Piloten dazu bringen, die verdammten Räder wieder auszufahren. Also mußte man sich dem unvorstellbaren Gedanken ergeben, daß es diese Riesenkiste mit Dutzenden von Passagieren, Gepäck und Getränkewagen entgegen aller Wahrscheinlichkeit schaffte, sich weiter in die Luft zu erheben.
    Sie schaffte es. Ich schaute nach draußen und fragte mich, warum ich eigentlich so ziemlich die einzige am Institut war, die nicht bereits während ihres Studiums zielstrebig irgendeine Karriere verfolgt hatte, aber da funkte Karl Armknecht schon wieder dazwischen. Was ich denn in Madrid gemacht hätte. Da ihn meine gescheiterte Lebensplanung nichts anging, erzählte ich nur, der Kurztrip sei die Belohnung für mein Germanistikexamen gewesen. Armknecht fand das – aus welchen Gründen auch immer – ganz außerordentlich interessant. Er fragte mich, was ich denn jetzt zu tun gedächte. Ich murmelte irgend etwas von »Weiß noch nicht« und »Mal sehen«, woraufhin Armknecht nichts erwiderte, sich nur durch die vollen schwarzen Haare fuhr, aus denen leider Gottes ein paar Schuppen rieselten.
    »Und Sie?« gab ich zurück, bevor er mich weiter ausquetschen konnte. »Was machen Sie?«
    »Filmbranche«, kam es leise aus schmalen, fast transparenten Lippen, und er fügte hinzu, er sei eigentlich Maler.
    »Was malen Sie denn?«
    »Gegenständlich. Auch wenn es nicht

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