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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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dem Trend entspricht.«
    »Was genau?«
    »Amphibien.«
    Beinahe mußte ich laut loslachen, schaffte es aber gerade noch, an Weickels Tod zu denken, womit sich das Thema Lachen für mich schlagartig erledigte. Armknecht sah aus dem Fenster, ich blickte derweil den Gang runter. Gerade begannen die Stewardessen, das vermutlich schlechte Essen zu servieren.
    Wir bekamen ein ganz leidliches Omelett in einer ganz leidlichen Tomatensoße mit Speck, zudem noch nicht vollständig aufgetaute Brötchen, und Karl Armknecht haute rein, als sei er in Spanien Opfer einer dramatischen Lebensmittelknappheit geworden. Kauend erzählte er, daß er eigentlich in Berlin wohne, leider aber keinen günstigen Rückflug erstanden habe und jetzt den unangenehmen Weg über Hamburg in Kauf nehmen müsse.
    »Wieso ist Hamburg unangenehm?«
    »Provinzstadt. Der Hund begraben. Langeweile bis zum Exitus.«
    »Ach. Da kennen Sie sich aber gut aus.«
    »Sehr gut sogar. Ich habe ganze zwei Jahre in dem Kaff gelebt.«
    Eigentlich reizte es mich, ihn zu fragen, warum er denn ganze zwei Jahre seines Lebens für einen Beinahe-Exitus geopfert habe, unterließ es dann aber, weil die Stewardeß netterweise noch einmal vorbeischaute, um uns Kaffee aus Plastikbottichen einzuschenken.
    Armknecht schüttete den Kaffeeweißer in seinen Becher, griff wie ein Junkie mit zittrigen Händen nach dem Zucker, und als ob das noch nicht genug wäre, fragte er mich mit devotem Blick, ob ich möglicherweise auf meine Tütchen verzichten könne.
    Ich verzichtete gern. Sogleich langte Armknecht zu mir rüber, nahm sich, was er brauchte, und dann lächelte er, wobei sich zuckersüße Grübchen in seinen Wangen abzeichneten. Was für ein Stilbruch.
    »Kindchen, wenn Sie möchten, daß etwas aus Ihnen wird, sollten Sie unbedingt nach Berlin gehen«, philosophierte er vor sich hin und schlürfte seinen Kaffee. Leider machte das Flugzeug in diesem Moment einen Hopser, so daß ein Drittel des Kaffees auf seinem Hemd landete und auch ich ein paar Spritzer abbekam.
    Und das auf meinem fast neuen und auch noch weißen Hemd.
    »O Gott, das tut mir jetzt wirklich leid«, entschuldigte sich Armknecht, während er mit der Flugzeugserviette erst auf meinem,dann auf seinem Hemd herumwischte. Er würde mir ein neues kaufen, falls die Flecken nicht rausgingen, das sei ja selbstverständlich, ich müsse ihn nur benachrichtigen, und vielleicht sollte ich gleich nach Berlin ziehen, dann ließe sich der Lapsus ganz unbürokratisch bereinigen.
    »Ich will aber nicht nach Berlin ziehen, und Ihr Kindchen bin ich schon gar nicht«, sagte ich trotzig wie ein Kleinkind.
    Armknecht schwieg und sah aus dem Fenster. Nach einer Weile drehte er sich wieder zu mir um.
    »Bei dem Kindchen gebe ich Ihnen recht. Bei Berlin nicht. Sie werden schon sehen.«
    Damit war unser Gespräch für den Rest des Flugs erstorben.
    Armknecht las erst die Süddeutsche, dann Focus und Die Woche, ich stellte meinen Sitz zurück, fuhr meine Beine aus und grübelte darüber nach, ob Armknecht möglicherweise nicht sogar ein kleines bißchen recht hatte. In Berlin würden sich mir etliche Möglichkeiten mehr als in Hamburg bieten, das stand fest. Andererseits war es die Frage, ob ein Angebot von Möglichkeiten überhaupt etwas nützte, wenn man gar nicht wußte, was man denn mit seinem Leben anstellen wollte.
    Als das Flugzeug zur vorgesehenen Zeit in Hamburg landete, fragte Armknecht nett bei mir an, ob wir noch gemeinsam einen Kaffee trinken gehen wollten, und weil ich keine große Lust auf meinen Anrufbeantworter und auf Einsamkeit hatte, sagte ich zu. Mit dem Taxi fuhren wir ins Literaturhaus. Armknecht orderte Pfefferminztee, bevor er mir stockend und in Halbsätzen seine halbe Kindheit erzählte. Warum nur, ich verstand das nicht, aber natürlich hatte ich auch nichts dagegen, daß er es tat. Armknecht war unterhaltsam, er lachte viel und hielt mich auf charmante Weise davon ab, daß ich mich dem Leben stellte.
    Sohn eines Gastwirts und einer Bandagistin, mit fünfzehn die erste Freundin, mit neunzehn die zweite, gleich bei einem der ersten Male war sie schwanger geworden, Abtreibung, Ende der Beziehung, Banklehre in Berlin, Studium in Bochum, Berlin und Hamburg, kreuz und quer durch die Fachrichtungen,Geschichte, Philosophie und Afrikanistik, ein bißchen Kunstgeschichte und Spanisch, kein Abschluß, aber Menschen, die sich so durchschlugen, waren seiner Ansicht nach sowieso die intelligenteren.
    »Dann bin ich also dumm,

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