Lügen & Liebhaber
weil ich einen Abschluß habe?«
»Ziemlich dumm.«
Armknecht zog die Mundwinkel nach oben, ohne im eigentlichen Sinne zu lächeln, und bestellte für uns beide Morchelterrine und Käsekuchen. Der Mann wurde mir immer sympathischer.
Später ließen wir uns zurück zum Hauptbahnhof kutschieren, wo wir unser Gepäck einschlössen, um erst mal in aller Ruhe an der Alster spazierenzugehen. Ich zog ernsthaft in Erwägung, völlig verrückt zu sein. Denn kaum hatten wir die Alster umrundet und standen etwas belemmert vorm Atlantik, als Armknecht mich fragte, ob möglicherweise etwas dagegen spreche, wenn er bei mir übernachte, er habe keine große Lust, heute noch nach Berlin zu fahren. Und ohne nachzudenken, sagte ich, klar, kein Problem, nur müsse er mit dem Gästesofa vorliebnehmen, und Sex sei auch nicht drin. Er wird dir schon nichts tun, dachte ich, auf deinen Instinkt kannst du dich verlassen.
»Ehrensache«, meinte Armknecht und bot mir das Du an.
Also hieß er für mich ab sofort Karl und ich für ihn Sylvie.
Zu Hause schob ich Karl in die Küche. Vertrauensselig beauftragte ich ihn, meine Vorräte zu durchforsten und sich zu überlegen, was man daraus zubereiten könne, während ich es dann doch wagte, mich meinem Anrufbeantworter zu stellen. Onkel Ferdinand gratulierte zum Magister, Toni wollte wissen, ob ich schon aus Madrid zurück sei, Meike, eine Exkommilitonin, fragte nach der letzten Prüfung – kein Adriano. In einem Zustand völliger Emotionslosigkeit löschte ich sämtliche Nachrichten und ging zu Karl in die Küche. Der hatte sich bereits notdürftig ein Geschirrtuch um seine rundlichen Hüften gebunden und war dabei, Unmengen von Knoblauch durch meine Knoblauchpresse zu drücken.
»Riecht gut«, sagte ich, woraufhin Karl meinte, es würde gleichnoch viel besser riechen, immerhin hätte ich Nudeln, Olivenöl und Knoblauch im Haus.
»Ein Rest Parmesan müßte auch noch da sein.« Ich entkorkte meine letzte Rotweinflasche, die ich mal nach einer besonderen Liebesnacht von Adriano geschenkt bekommen hatte, einen 95er Sassicaia, der sicherlich über 150 Mark kostete. Merkwürdig, daß ich auf einmal Lust hatte, mir diesen edlen Tropfen mit einem völlig fremden Mann zu genehmigen.
»Wow!« machte Karl, als ich ihm sein Glas hinhielt. »Du bist ja eine richtige Kennerin!«
Ich hob synchron beide Augenbrauen und hütete mich, die Herkunft des Weines preiszugeben.
Karl kredenzte uns wunderbar aromatische Spaghetti, dazu der gute Wein – es war ein perfekter Abend. Einmal klingelte das Telefon, wieder kein Adriano, dafür war es Toni, die ziemlich unverbindlich aufs Band sprach. Zur Strafe ging ich nicht ran, goß statt dessen lächelnd von Adrianos Wein nach.
»Was meintest du eigentlich mit Filmbranche?« fragte ich Karl, als ich die letzten Knoblauch-Parmesan-Reste mit dem Finger vom Teller wischte. Merkwürdig, daß Karls Bekanntschaft so etwas wie eine enthemmende Wirkung auf mich hatte.
Karl grinste. Wieder diese lustigen Grübchen.
»Porno«, sagte er.
»Porno?« fragte ich zurück, woraufhin er sagte: »Ja, Porno.«
Danach war es erst mal still. Ich konnte beim besten Willen nicht glauben, daß Karl Pornofilme drehte. Nicht daß ich der Ansicht war, durch und durch sympathische Menschen täten so etwas nicht, aber Karl war rundlich, etwas kurz geraten und bestimmt nicht der Typ, den deutsche Hausfrauen nackt und mit Ständer sehen wollten. Gut, vielleicht arbeitete er hinter der Kamera, als Regisseur oder so.
»Schockiert?« Karl schien sich wirklich zu amüsieren.
»Überhaupt nicht.« Leider Gottes wurde ich etwas rot. »Ich kann es mir nur nicht so ganz, na ja, sagen wir … vorstellen.«
»Was?« fragte Karl provozierend.
»Bist du Schauspieler?«
Karl schüttelte den Kopf.
»Regisseur?«
»Nein.«
»Was bleibt dann noch?«
»Synchronisation.«
Ich brach in übertriebenes Gelächter aus. »Du meinst also, du kannst besonders gut … stöhnen?«
»Mittlerweile ja.« Karl war jetzt vollkommen ernst.
»Und du glaubst also auch, ich sollte nach Berlin gehen, weil man dort besonders gut im Porno-Synchron-Geschäft rauskommen kann?«
»Zum Beispiel.« Karl trank seinen Sassicaia auf ex, so daß mir doch ein wenig weh ums Herz wurde, aber da ich eine gute Gastgeberin war, schenkte ich ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, nach. Außerdem konnte Adriano mich mal. Sich erst ewig lange nicht zu melden, und dann hatte ich zu springen, sobald er ein läppisches Fax schickte.
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