Lügenbeichte
-Tüte, wo hast du die her?«
»Na aus dem Karton.« Lou guckte sie an, als würde er sich über so eine blöde Frage wundern.
»Was für ein Karton?«
»Da war so einer, mit noch mehr Stöckchen.«
»Wo denn?«
»In dem Zimmer.«
»In welchem Zimmer? Das mit den verknoteten Fenstern?«
»Nein, in dem anderen.« Er seufzte.
Josi sah, dass er schon wieder genug hatte von ihrer Fragerei. Er nahm ihr die Absätze aus der Hand und legte sie wieder in den Koffer, fragte: »Wo ist Mamas Schuh?«
»Wieso Mamas Schuh?«
Er verdrehte die Augen. »Josi, Mamas Schuh ist doch in der Tüte! Den habe ich mitgenommen, weil ich ihn heile machen kann. Mit Papas Sekundenkleber. Damit hat er mir auch die Griffe an dem Detektivkoffer angeklebt. Und damit will ich Mamas Absatz wieder ankleben. Guck, mal, hier ist ein roter … und hier ist ein weißer. Mama hat ihre roten Jimmys sehr lieb.«
»Jimmys?«
»Das ist ein Jimmy-Schuh-Schuh.«
Lou fing an zu kichern und wiederholte es noch einmal. Jetzt begriff Josi – er meinte die Marke Jimmy Choo . Und sprach Choo aus wie »Schuh«.
»Bist du denn sicher, dass das Mamas Schuh ist?«
»Nein, Jimmys Schuh.« Lou platzte jetzt los vor Lachen. Über solche Wortspiele konnte er sich rasend amüsieren. Er blödelte noch ein bisschen herum, Josi ließ ihn.
Dann sagte sie: »Komm. Das überprüfen wir jetzt mal.« Josi stand auf. Sie ging mit Lou in Thomas' und Marinas Ankleidezimmer. Sie musste einfach wissen, ob das wirklich Marinas Schuh war. Und wenn ja, wieso er bei dem alten Mann gelandet war. Irgendwo hatte Josi diese roten Schuhe auch schon mal gesehen.
»Hat der Mann die Absätze abgesägt?«
»Der alte Mann?«
»Ja.«
»Ja, mit so einer elektrischen Säge.«
»Warum sägt er denn Absätze ab?«
»Er zündet damit Kerzen an.«
»Wie bitte? Wie geht das denn?«
»Na Kerzen. Kennst du keine Kerzen, Josi? Die bringen das Licht.« Mehr war leider nicht aus ihm rauszuholen. Lou war jetzt mit den Schuhen beschäftigt, er ging die ganze Reihe durch, schaute sich die vielen Modelle an, die sorgfältig im Regal standen. Er entdeckte die roten Jimmy-Choo -Sandalen zuerst. Josis Nackenhärchen richteten sich auf. Sie bekam eine Gänsehaut. Jetzt wusste sie, wo sie die Schuhe schon mal gesehen hatte: Das waren genau solche Riemchensandalen mit Bleistiftabsatz, wie Lilli Sander sie am Samstag getragen hatte!
»Komisch«, sagte Lou und zog die Sandalen aus dem Regal. »Da sind ja Mamas Schuhe.« Josi sah, dass er enttäuscht war, auch verwirrt. Er nahm einen Schuh, fühlte am Absatz, ob er auch festsaß, nahm den anderen und prüfte den. Dann hellte sich sein Gesicht auf. »Gut«, sagte er. »Dann muss ich den gar nicht mehr reparieren. Dann kann ich die Absätze zu den anderen tun und sammeln.« Er stellte die Sandalen zurück ins Regal.
Josi war noch ganz benommen. Lilli Sander hatte also die gleichen Schuhe getragen wie Marina? Aber hatte Herr Werner nicht gesagt, dass die Tote barfuß war? Josi war sich sicher, dass Lilli nicht barfuß war, als sie an der Tür stand. Jemand musste ihr die Schuhe also weggenommen und die Absätze abgesägt haben. – Der alte Mann! Wer war er? Der Mörder von Lilli Sander?
14:51
Marina war gerade wiedergekommen. Sie stand in der Tür und schmunzelte. »Na, mein kleiner Schuhfetischist«, sagte sie. Sie schnappte sich Lou und wollte ihn hochheben, aber er stemmte sich dagegen. Marina sah Josi an.
»Was ist los, du bist ja ganz blass. Ist dir nicht gut?«
»Ich weiß auch nicht.« Sie wollte gerade mit Marina reden, ihr erzählen, was sie entdeckt hatte, dass Lilli Sander die gleichen Schuhe wie sie getragen hatte, aber sie wollte vor Lou nicht über die Studentin reden. Bestimmt würde Lou sofort wissen wollen, wer das war, der die gleichen Schuhe trug wie seine Mama. Besser, sie warteten erst mal die Psychologin ab. Vielleicht brachte die ja mehr Licht in die ganze Angelegenheit.
Lou zeigte auf die Sandalen. »Mama, deine Jimmys sind ja gar nicht kaputt.«
»Nein, warum?«
»Du bist doch in so ein komisches Gitter getreten und da ist der Absatz abgebrochen.«
»Das waren die roten Hilfiger «, sagte Marina. »Die sind noch beim Schuster. – Soll ich die Jimmys heute anziehen, Bärchen?«
»Nein!«, rief Josi.
Marina und Lou guckten Josi erstaunt an.
»Ich glaube, wir gehen jetzt runter«, sagte Marina. »Gleich kommt der Besuch.«
Ich sage dir: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein.
14:56
Josi stand an ihrem
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