Lügenbeichte
in einem Krimi, Frau Herzberg – nicht mal in einem Tatort , sondern wir befinden uns in der Re-a-li-tät, Frau Herzberg. Ich habe hier …«
Josi trat ins Wohnzimmer und wagte einen Blick. Sah Herrn Werner, in dem bequemen Gartenstuhl, wie er versuchte, mit seinem verletzten Fuß Unterlagen vom Boden näher an sich heranzuschieben und sie aufzuheben.
»… das Tagebuch von Frau Sander«, sagte er, noch in lautem Bellton. Josi huschte wieder in die Küche.
»Schauen Sie mal, Herr Herzberg, was Lilli Sander dort über Sie geschrieben hat.«
»Lesen Sie es vor, ich möchte es auch hören«, rief Marina ihm zu.
»Bitte, nur zu«, hörte sie Thomas. »Lesen Sie ruhig. Ich habe nichts zu verbergen. Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht, auf den ich nicht sonderlich stolz bin, aber ich stehe dafür gerade. Ich bin ein aufrichtiger Mann und ich liebe meine Frau. Wir haben keine Geheimnisse voreinander.«
Josi schaute zu Marina. Die presste die Lippen aufeinander und schluckte. Das war ja gerade eine fette Liebeserklärung von Thomas – mit der er Herrn Werner wohl gleichzeitig den Wind aus den Segeln nehmenwollte. Marina schaute sehnsüchtig nach draußen, wahrscheinlich zu Thomas. Josi hielt sich an der Gabel fest. Ihr war, als würde sie gleich irgendwas entladen.
Herr Werner raschelte mit Blättern und sagte völlig ungerührt: »Na gut«, als könnte er es gar nicht abwarten, endlich schlüpfrige Details vorzulesen.
Josi spürte, wie er Papa damit unter Druck setzte. Aber nun gab es kein Entkommen mehr, Thomas hatte sich selbst in diese Situation gebracht. Josi stach in das Eigelb und beobachtete, wie es langsam über die Bohnen und den Schinken floss.
»Ihr Name erscheint in ihrem Tagebuch sehr häufig.« Herr Werners Stimme klang äußerst schulmeisterlich. »Und wir sind uns ja inzwischen einig, dass mit ›Thomas‹ Sie gemeint sind, nicht wahr, Herr Herzberg?«
Thomas antwortete nicht.
»Sie werden als attraktiver Mann beschrieben, der Wert auf sein Äußeres legt«, fuhr Herr Werner fort. »Ich zitiere: ›Heute trug Thomas einen dunkelblauen Schal. Der passte wunderbar zu seinen Augen …‹«
»Wirklich sehr interessant«, platzte Thomas heraus. »Vielleicht hat sie auch geschrieben, dass sie Apfelshampoo benutzt und welchen Joghurt sie bei Edeka kauft.«
Herr Werner las weiter, jedes Wort betonend: »Thomas ist so sexy, ich kann mich gar nicht auf die Inhalte seiner Vorlesung konzentrieren.«
»Ich bin nicht für die Fantasien meiner Studentinnen verantwortlich«, sagte Thomas.
Josi stopfte sich den Mund voll, kaute, schluckte, starrte auf ihren Teller. Blätterrascheln, dann fuhr HerrWerner fort: »Heute waren wir an der Bergmannstraße, in Kreuzberg, weit weg vom Radius seiner Frau. Er hat mir dort wunderschöne rote Jimmy Choo -Sandalen gekauft, mit Endlos-Absatz. Ich habe sie gleich angezogen und konnte ganz gut darauf laufen. Dann haben wir Passfotos gemacht, in so einem uralten Automaten, in Schwarz-Weiß. Er war sehr, sehr frech in der Kabine. Er hat …«
Josi wurde es eng im Hals.
»Die Fotos haben Sie ja bereits gesehen«, fiel Thomas ihm ins Wort. Josi hörte, wie Thomas sich eine neue Zigarette anzündete. »Weitere Details dürfen Sie mir also ersparen.«
Herr Werner ignorierte ihn einfach und fuhr mit dieser unerträglichen schnarrenden Stimme fort: »Wir hatten so einen Spaß! Er lud mich dann bei einem Nobel-Italiener zu einem Candlelight-Dinner ein. Natürlich bestellte er Champagner. Es war so romantisch!«
Herr Werner betonte Candlelight-Dinner und Champagner . Es hörte sich sehr spöttisch an. Warum ließ sich Papa das gefallen? Er war doch sonst so souverän und nie um ein Wort verlegen! Warum stoppte Papa ihn nicht?
Herr Werner kostete die Situation voll aus. Josi konnte das nicht mehr mitanhören! Sie stellte ihren Teller in die Spüle, nahm sich ein Glas Wasser aus dem Kühlschrank und ging ins Wohnzimmer, an Marina vorbei, die auf den Boden starrte und an ihrem Ehering herumfummelte, als würde er ihr Kraft geben, all das auszuhalten, was Thomas so leichthin als »Ausrutscher«oder als »Fehler« abtat. Josi hätte nie gedacht, dass sie Marina einmal bedauern würde, weil sie an so einen Mann geraten war wie an ihren Vater.
Sie hustete laut, damit Herr Werner sie bemerkte und endlich aufhörte, weiter vorzulesen, aber er schien nichts mitzukriegen.
»… und dann sagte er, dass er in seinem Leben noch nie so glücklich war wie mit mir! Er will seine Frau
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