Luegenbeichte
weiße Pralinen gegeben hatte. Eat me – ging es ihr wieder durch den Kopf. Und hatte Barbara nicht ganz stolz gesagt, dass Robert nun mit ein paar Leuten Videospiele entwickelte? Die DVD war also eins von den Spielen, die er Barbara geschenkt hatte. Auf dem Cover waren kleine rote Monster mit langen Zähnen abgebildet. Eat me! Lou hatte dieses Spiel gespielt: Itmi hatte er es ausgesprochen und von kleinen roten Knöpfen gesprochen, mit langen Zähnen, die alles auffressen, was ihnen in die Quere kommt. – Ob Robert den alten Mann kannte? Sie sollte ihn danach fragen, ihn endlich mal besuchen, worauf Barbara ja schon so lange drängte. »Du weißt doch, wie anhänglich er ist. Und Lou würde er auch gern mal kennenlernen.« Und er würde dort bei einem älteren Herrn wohnen.
Einem älteren Herrn?
Es stach in ihrem Magen. Josi krümmte sich. – Ein älterer Mann konnte in Lous Augen auch ein alter Mann sein! Mit einer Hand stützte sie sich an der Wand ab. In dem Moment kam ihre Mutter um die Ecke.
»Josi? Was ist mit dir?«
»Nichts.« Sie richtete sich auf, aber ihr Magen rebellierte noch. Sie musste zu Robert. Vielleicht war Robert auch in Gefahr? Sie musste sofort los, um das zu klären, damit Papa so schnell wie möglich freikam! Denn vielleicht war das ja auch der Mörder von Lilli Sander.
Barbara fasste sie am Arm. »Mein Gott, du bist leichenblass.«
»Geht schon wieder. War wohl nur der Kreislauf. Ich habe wenig geschlafen.« Sie konnte nicht reden. Die Gedanken schleuderten wild in ihrem Kopf herum – und im Magen.
»Ich denke, du solltest was essen.«
»Nein, nein. Geht wirklich schon wieder.«
»Leg dich doch ein bisschen hin.«
»Ja, das ist eine gute Idee.«
Sie ging in ihr Zimmer und machte ihr die Tür vor der Nase zu. »Bitte, Mama, ich muss ein bisschen allein sein.«
Wenn sie »Mama« sagte, kamen meistens keine weiteren Fragen.
Sie lief vor ihrem Schreibtisch auf und ab. Wo kriegte sie jetzt Roberts Adresse her? Mama hatte nur gesagt, dass er in der Nähe vom Schlachtensee wohnte, also in Zehlendorf. Das passte doch alles, schließlich war Lou zu Fuß entkommen und am Mexikoplatz aufgegriffen worden.
Sie ging auf den Flur zum kleinen Schränkchen und lauschte. Stimmen aus der Küche. Gut. Sie öffnete die Schublade und blätterte das Adressbuch durch undfand gleich, was sie suchte, nahm einen Zettel, einen Stift und schrieb sich die Adresse auf. Dann ging sie in die Küche. Barbara und Estefan saßen am Tisch und guckten sie beide erwartungsvoll an.
»Ven niña, siéntate con nosotros para comer algo«, sagte Estefan.
»Nein, danke«, sagte sie, nicht in der Stimmung, mit Estefan Spanisch zu reden. »Ich habe gut gefrühstückt. Und ich bin auch zu aufgedreht, um zu schlafen. Ich fahr zu Miriam. Sie will endlich mal wissen, was passiert ist. Mach dir keine Sorgen, Mama. Ich bin okay. Mal horchen, was wir in der Schule die letzten Tage so gemacht haben.«
»Gehst du morgen wieder in die Schule?«
»Ja, klar.«
»Ich dachte, du machst noch einen Tag Pause, nach allem, was passiert ist …«
»Nein, ich will so schnell wie möglich mein normales Leben wieder aufnehmen.« Josi staunte selbst, wie vernünftig sie klang. Dann sagte sie: »Bis später«, drehte sich um und verschwand aus der Haustür, bevor noch einer von den beiden weitere Fragen stellen konnte.
13:29
Auf der Oranienstraße war der Gehsteig blockiert von Touristen. Irgendein Bus musste sie ausgespuckt haben und jetzt standen sie da, in beigen Hosen, und ließen keinen vorbei. Sie versuchte, die Straße zu überqueren, aber die Autos hatten so dicht geparkt, da hätte sie über die Stoßstangen steigen müssen. Endlichfand sie eine Lücke und ging auf der Straße weiter. Ein Auto hupte sie an. »Blödmann!«, schimpfte sie. Beinahe wäre sie auf eine leere Beck's -Flasche getreten. Sie rollte in den Rinnstein.
Robert – Robi – ging es ihr durch den Kopf. Bestimmt würde er ihr weiterhelfen, ihr und Thomas, sie spürte es, obwohl sie nicht wusste, warum. – Ausgerechnet Robert. Robert Makowiak, ihr Exziehbruder. Bestimmt würde er sich wundern, dass sie ihn besuchte, nach all den Jahren. Sie würde ihm schöne Grüße von Barbara bestellen, ihm sagen, dass sie gehört habe, er wohne jetzt zur Untermiete in Zehlendorf, und sie sei auf dem Weg zu ihrem Vater und da wollte sie mal vorbeischauen, wie es ihm ging, wo er ja jetzt praktisch um die Ecke wohne. Sie musste ihm ja nicht unter die Nase reiben, dass sie
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