Luegenbeichte
meinst du damit?«
Estefan legte das Messer weg. Josi holte tief Luft und schaute auf ihre Tasse. »Heute Morgen … also … heute Morgen«, setzte sie noch einmal an. »Die Polizei hat Thomas mitgenommen …«
»Wie mitgenommen?
»Na ja. Sie wollen ihn verhören. Auf dem Präsidium.«
»Warum denn das?«
»Sie hatten einen Haftbefehl.«
»Das heißt, sie haben Thomas verhaftet?«
Josi biss sich auf die Lippe und nickte. Barbara stellte den Herd aus.
»Aber … Weil Thomas die Tote kannte? Weil es eine Studentin von ihm war?«
Mehr hatte Josi ihrer Mutter noch nicht erzählt, aber sie hörte an ihrer Stimme, dass sie schon eine Ahnung von dem hatte, was sie gleich erfahren würde.
»Thomas hatte ein Verhältnis mit der Studentin.« Nun war es raus. Barbara setzte sich und goss Espressoin die Tassen. So schwarz war Josi der Kaffee noch nie vorgekommen. Der Geruch stieg ihr in die Nase und machte sie ein bisschen schwindelig.
»Ach, du meine Güte«, sagte Barbara. »Da liegt der Hase also im Pfeffer.«
Normalerweise würde Estefan jetzt fragen, was das zu bedeuten hatte, wenn ein Hase im Pfeffer liegt. Und Barbara und Josi hätten es ihm als ein besonderes Rezept verkauft und ihn ein bisschen auf die Schippe genommen, bevor sie ihm das Sprichwort erklärt hätten, aber jetzt war keinem zum Scherzen zumute.
»Thomas verhaftet«, wiederholte Barbara und Estefan nuschelte nur: »Madre Mia!«
Josi löffelte Zucker in ihren Espresso und trank ihn in einem Schluck. Er schmeckte dick, bitter und süß. Barbara saß neben ihr und überlegte: »Das kann doch nur ein schreckliches Missverständnis sein. Thomas' Sohn wird entführt und in der gleichen Nacht findet man eine Leiche an der Bushaltestelle nebenan.«
»Zwischen Bushaltestelle und Garten«, korrigierte Josi. »Beim Trampelpfad zum Wald.«
Barbara schaute Josi in die Augen. »Das kann doch nur ein verheerender Zufall sein. Dein Vater …« – Josi mochte es nicht, wenn sie Thomas »dein Vater« nannte – »… er mag ja ein Schürzenjäger sein, ein Frauenheld oder Womanizer oder wie man das auch immer nennen mag.« Sie holte tief Luft. »Aber er geht doch nicht über Leichen!«
Josi sagte nichts. Sie traute sich nicht, Barbara von den Zigarettenkippen an der Bushaltestelle und Lillis Anruf zu erzählen.
»Macht man ihn etwa auch für das Verschwinden seines Sohnes verantwortlich?«
»Natürlich nicht.«
»Arbeitet derselbe Kommissar an den beiden Fällen?«
»Hauptkommissar«, sagte Josi. »Herr Werner.«
»Was ist das denn für ein Hauptkommissar, bitte schön?!« Barbara war jetzt stinksauer.
»Tranquila, cariöo« , sagte Estefan und lächelte sie lieb an. Normalerweise schmolz ihre Mutter bei so einem Lächeln von ihm dahin, aber jetzt blieb ihre Stirn gerunzelt.
»Ist echt ein unappetitlicher Typ. Und ihr müsstet mal sehen, wie der sich mit seinen Krücken anstellt.«
»Krücken?« Estefan verstand nicht.
» Muletas «, übersetzte Barbara und fragte Josi: »Warum hat er denn muletas ?«
»Der ist doch von Lous Baumhaus gefallen.« Hatte sie Barbara das etwa nicht erzählt?
Estefan lachte los. »Qué idiota!«
Barbara zog die Unterlippe ein. »Und wenn die beiden Fälle doch zusammenhängen? Wenn es ein und dieselbe Person war, die Lou gekidnappt und die Studentin ermordet hat? Dann kann dein Vater nicht der Schuldige gewesen sein. Außerdem hat er doch ein Alibi. War er nicht auf dieser Snob-Party bei den Schaunmanns – er fünfundsechzig, sie neunundzwanzig?«
Barbara war nicht nur gut im Zitieren, sondern auch im Sticheln.
»Keine Ahnung, wie alt die sind«, sagte Josi. Sie hatte Kopfschmerzen. Der Espresso hatte ihren Kreislauf angeregtund nun hämmerte ihr jeder Herzschlag in den Schläfen. Sie wollte weder mit Barbara grübeln noch über die Schaunmanns lästern. Sie wollte einfach nur ihre Ruhe haben. Vielleicht sollte sie sich ein bisschen hinlegen und dann Marina anrufen. Vielleicht gab es inzwischen Neuigkeiten.
Sie schaute auf die Küchenuhr, kurz vor halb eins. Jetzt holte Marina Lou gerade aus dem Kindergarten.
Barbara stand auf und öffnete das Fenster. Straßengeräusche kamen in die Küche. Stimmen, türkische Musik, ein Bus fuhr vorbei. Dann klingelte Josis Handy.
Der Herr denkt an uns und segnet uns.
12:32
Max' Foto erschien auf dem Display. Josi ging aus der Küche.
»Hey Max!« Sie sah, dass er es schon öfter versucht hatte.
Auf dem Flur stieß sie gegen die Ecke des kleinen Schubladentischchens. Der
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