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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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habe nicht daran gedacht und jetzt ist es zu spät.« Sie schüttelt ihre nassen schwarzen Haare wie ein Hund. »Tut mir leid, dass du’s gerade heute entdeckt hast, wo es dir selbst so beschissen geht.«
    Ich habe keine Ahnung, was ich sagen könnte, was angebracht wäre. Versuche, mir vorzustellen, was Lena nun getan hätte. ›Ist mir egal, was du mit deinem Arm machst‹, klingt uninteressiert, irgendwie asozial. Aber zu fragen ›Warum machst du das?‹, ist wahrscheinlich auch nicht angebracht.
    Mila lässt sich neben mich auf das Bett sinken. »Du fragst dich bestimmt, warum ich das getan habe.«
    Ich nicke und versuche, nicht auf ihre Arme zu starren.
    »Die Wahrheit ist, ich hab schon damit angefangen, lange bevor Mama so durchgeknallt ist. Du siehst ja, es sind alte Narben. Ich dachte auch, ich wäre drüber weg …« Sie beisst sich auf die Unterlippe und stöhnt, bevor sie sich einen Ruck gibt und weiterredet. »Aber dann ist etwas passiert – und dann ist es noch einmal passiert und deshalb habe ich wieder damit angefangen, aber das … das erzähle ich dir wann anders. Okay?«
    »Klar.« Ich würde gern den Arm um sie legen oder ihren Rücken tätscheln, aber ich traue mich nicht. Ich habe keine Ahnung, ob das okay wäre. Ich hatte nie viele Freundinnen und von Lena weiß ich, dass sie so was auf den Tod nicht ausstehen kann.
    »Ich find’s super«, murmelt Mila, »dass du keinen Aufstand deswegen machst. Die meisten regen sich total auf, deshalb trage ich immer lange Ärmel oder im Sommer auch Stulpen, obwohl mich an der Schule deshalb alle für ein Emu halten.« Mila rutscht näher zu mir und kuschelt sich an mich.
    Ich werde aus Verlegenheit total steif, was sie sofort wieder von mir abrücken lässt.
    »Tut mir leid«, sagt sie und in ihrer Stimme liegt so viel Schmerz, dass ich mich in Grund und Boden schäme und wieder zu ihr hinrutsche.
    »Hey …«, sage ich und ringe um Worte. »Hey …«
    »Ich steh auf Jungs, falls du deshalb Angst hast, und es ist auch nicht ansteckend, das Ritzen.«
    »Ich habe keine Angst vor dir«, stammle ich und finde keine Worte für das komische Gefühl in meiner Brust. »Ich weiß bloß nicht, also, ich kenn mich nicht so gut aus mit so was.«
    »Was meinst du mit so was?« Mila legt ihre Hand auf meine und versucht, mir ins Gesicht zu sehen, doch ich weiche ihr aus. Ich bin mit dieser Situation total überfordert.
    »Mit …« Ich muss sehr tief durchschnaufen, bis ich es schaffe, es zu sagen, bis ich mich traue, es zuzugeben – vor mir selbst zuzugeben. »Mit so was wie Freundschaft.« Ich hebe den Kopf und starre sie herausfordernd an.
    »Davon hab ich auch keine Ahnung.« Mila verdreht die Augen und kichert. »Dann sind wir also bloß zwei Aliens, die sich gefunden haben.« Sie beugt sich zu mir, küsst mich rechts und links auf die Wange und zum Schluss auf den Mund. Einfach so.
    Ich schnappe nach Luft. Meine Lippen prickeln, als hätten sie Brennnesseln gestreift, aber dann wird dieses Stechen warm und süß. Unwillkürlich berühre ich meine Lippen mit den Fingerspitzen und bin erstaunt, dass sie sich wie immer anfühlen.
    »Freunde?«, fragt Mila und hält mir ihre Handfläche hin.
    »Freundinnen!«, antworte ich, schlage ein und zu meinem großen Erstaunen spüre ich nicht den Wunsch, mir sofort die Hände zu waschen. Stattdessen bleiben wir so sitzen und schweigen. Und obwohl das mit Ferdi passiert ist, fühlt sich zum ersten Mal heute alles gut an.

4. Mila
    Heute übernachte ich zum fünften Mal bei Ally und heute muss ich einen Schritt weiterkommen. Vier Tage lang ging es immer wieder um Ferdi und ihren Schmuck. Aber beim letzten Mal haben wir endlich mal etwas anderes gemacht und einen uralten Schwarz-Weiß-Film angeschaut, wo die Frauen dauernd ihre extrem geschminkten Augen weit aufreißen und dann hysterisch lachen. Könnte sein, dass es einer mit Bette Davis gewesen ist, denn auf die steht Ally total. Sie hat mir erzählt, dass sie sich beim Kreieren ihres Schmucks immer fragt, ob und wann Bette Davis ihn tragen würde. Typisch Ally! Andere würden sich – wenn überhaupt – fragen, was Victoria Beckham oder Heidi Klum dazu sagen würde.
    Jedenfalls ging’s in dem Film um unglückliche Liebe, wie fast immer in diesen alten Schmachtfetzen, und Ally hat einen Heulkrampf bekommen und wollte von mir wissen, ob ich glaube, dass sie jemals einen finden wird, der sie so liebt, wie sie ist.
    Und gerade als ich sie so weit hatte und endlich mit meinem

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