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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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mich noch. Ich war die Frau mit den Fotos, die alle Mädchen haben wollte. Er weigerte sich, zu mir ins Auto zu steigen. So nahmen wir den Van, Patrizia lockte ihn auf den Beifahrersitz mit dem Versprechen: «Wir besuchen Nicole.» Während der Fahrt erzählte sie ihm, dass alles gut und Nicole sich sehr freuen würde, wenn er sie besuchte.
    Er freute sich nicht, als wir die Notaufnahme betraten und ein Arzt sich seiner annehmen wollte. «Finger weg!»
    «Es geht ganz schnell, Ben», sagte Patrizia. «Und dann tut es nicht mehr weh. Du musst keine Angst haben. Schau mal, was ich hier habe.» Sie kramte in den Taschen ihrer Latzhose, brachte eine Rolle Pfefferminzbonbons, Papiertücher, ein paar Lakritzschnecken und drei verklebte Weingummis zum Vorschein und lenkte ihn damit ab.
    Der Arzt trat hinter ihn. Es war eine Sache von Sekunden, ein geübter Griff. Ben gab einen unwilligen Laut vonsich, dann schaute er sich verwundert um und betrachtete den Arzt, als könne er es gar nicht fassen. Er hatte wohl noch Schmerzen, aber die empfand er als nicht so gravierend, nachdem er feststellte, dass er den Arm wieder bewegen konnte. Die Risswunde am Unterarm ließ er sich ohne Gegenwehr oder Protest verbinden. Es war wohl eine wichtige Erfahrung für ihn zu erleben, dass die weißen Leute nicht seine Feinde waren, jedenfalls nicht immer.
    Nur mir traute er noch nicht. «Mit?» Er dachte wohl, ich würde ihn da lassen. Patrizia erledigte die Formalitäten. Zu Nicole Rehbach führte ich ihn danach nicht. Ihm war es offenbar auch nicht so wichtig, sie zu besuchen. Er wollte nur weg, zurück ins Dorf.
    Und ich hatte auf dem Parkplatz einen Streifenwagen gesehen, vermutlich machte Walter Hambloch wieder einen Besuch am Krankenbett. Ich wollte kein Risiko eingehen, war überzeugt von Bens Unschuld, erhoffte mir von ihm Aufschlüsse, egal auf welche Weise. Vielleicht mit seinen Karten, aber dafür brauchte ich Ruhe. In seinem Elternhaus blieben wir bestimmt ungestört, und dort konnte ich ihn festhalten, bis ich von ihm die nötigen Antworten bekommen oder bis Dirk Schumann den wahren Täter überführt hatte.
    Wir fuhren zurück, packten ein paar Sachen, etwas Kleidung für Ben, den Kasten mit seinen Karten und andere Dinge, die Patrizia für nützlich hielt. Lebensmittel, Handtücher, Bettwäsche.
    «Sie müssen nur die Rollläden ganz runterlassen, wenn Sie das Licht einschalten», riet Patrizia. «Dann merkt keiner, dass Sie da sind.»
    Die Bettwäsche hatten wir umsonst eingepackt. Die zerschnittenen Matratzen auf dem Schlösser-Hof waren nicht ersetzt worden. Den von Bruno stibitzten Hausschlüsselhatte Ben in der Scheune versteckt. Er holte ihn, als Patrizia ihn dazu aufforderte. Ich fuhr mein Auto in die Scheune. Patrizia fuhr im Van zurück.
    Es war kalt im Haus, die Heizung nicht eingeschaltet, in der Küche stand der Herd, in dem Trude die Beweise des Sommers 95 verbrannt hatte. Im Keller lagen noch etliche Briketts, etwas Holz und ein Häufchen alter Zeitungen. Damit konnte ich einheizen.
    Dann saß ich da mit ihm und einem Foto von Vanessa Greven. Er war so unruhig, wollte nicht sitzen, nichts essen, nicht mit mir reden, mir nichts zeigen. Für das Foto hatte er nur einen flüchtigen Blick, dann wollte er zur Tür. «Maus.»
    «Du kannst nicht gehen», sagte ich, wie Trude so oft zu ihm gesagt hatte. «Du musst bei mir bleiben.»

21.   Oktober 1997 – Miriam
    Sie wusste nicht, wie lange sie schon so auf dem Bett lag, sie spürte nur die Schmerzen, besonders der Kopf tat weh. Sehr früh am Morgen war sie zurückgekommen von ihrer Reise nach Südfrankreich. Und der Mörder hatte schon auf sie gewartet. Jeden Tag, vielmehr jede Nacht hatte er kurz im Bungalow nachgeschaut, ob sie endlich wieder da wäre.
    Eigentlich hatte sie zwei Wochen bleiben, nichts sehen und nichts hören wollen von Vanessa Greven, Dorit Prang und einem Mann, der im Wald junge Frauen wie Svenja Krahl und Katrin Terjung vergewaltigt hatte. Aber schon wenige Tage nach ihrer Ankunft zeichnete sich ab, wer der Mann war, den Heinz Lukka Bello genannt hatte. Als Beweis reichte es nicht, das war ihr klar. Abersie wollte zumindest Nicole warnen, sich erkundigen, was die Verabredung mit mir gebracht hatte, und einen massiven Hinweis geben. Nicole meldete sich nicht. Auch am nächsten Tag ging in Nicoles Wohnung niemand ans Telefon. Sie probierte es auf dem Lässler-Hof, hatte zweimal Antonia in der Leitung und legte wortlos auf. Erst beim dritten Mal kam

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