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Lulu

Lulu

Titel: Lulu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Ach – ist das ein prachtvolles Weib! – Man müsste ihr die Taille aufknöpfen! – Komm, Kadidja, knöpf deiner Mutter die Taille auf! Sie ist so furchtbar fest geschnürt.
    KADIDJA (ohne sich vom Platz zu rühren)
    Ich fürchte mich.
    (Lulu kommt aus dem Speisezimmer in Jockeimütze, rotem Jackett, weißen Lederhosen und Stulpstiefeln, einen Radmantel um die Schultern.)
    LULU
    Hast du noch bares Geld, Alwa?
    ALWA (aufblickend)
    Bist du verrückt geworden?
    LULU
    In zwei Minuten kommt die Polizei. Wir sind angezeigt. Du kannst ja hier bleiben, wenn du Lust hast!
    ALWA (aufspringend)
    Allbarmherziger Himmel!
    (Lulu und Alwa durch die Entreetür ab.)
    KADIDJA (ihre Mutter schüttelnd, unter Tränen)
    Mama! Mama! Wach doch auf! Alle sind fortgelaufen!
    MAGELONE (zu sich kommend)
    Und die Jugend dahin! – – Und die schönen Tage dahin! – – Oh, dieses Leben!
    KADIDJA
    Aber ich bin doch jung, Mama! Warum soll denn ich kein Geld verdienen! – Ich mag nicht mehr ins Kloster. Ich bitte dich, Mama, behalte mich bei dir!
    MAGELONE
    Gott segne dich, mein Herzblatt! Du weißt ja nicht, was du sprichst. – Ach nein, ich werde mich nach einem Engagement an einem Varieté-Theater umsehen und den Leuten mein Missgeschick mit den Jungfrauaktien vorsingen. So was wird immer beklatscht.
    KADIDJA
    Aber du hast ja keine Stimme, Mama!
    MAGELONE
    Ach ja, das ist ja wahr!
    KADIDJA
    Nimm mich doch mit in das Varieté-Theater!
    MAGELONE
    Nein, es zerreißt mir das Herz! Aber wenn’s denn nicht anders sein soll, und es ist dir mal so bestimmt, dann kann ich nichts daran ändern! – – Wir können ja morgen zusammen in die Olympia-Säle gehen!
    KADIDJA
    O Mama, wie ich mich darauf freue!
    EIN POLIZEIKOMMISSÄR (in Zivil, vom Korridor eintretend)
    Im Namen des Gesetzes – Sie sind verhaftet!
    CASTI-FIANI (ihm müde folgend)
    Aber was machen Sie denn da für Unsinn? Das ist ja gar nicht die Rechte!

Dritter Aufzug
    Eine Dachkammer ohne Mansarden. Zwei große Scheiben in der Flucht des Daches öffnen sich nach oben. Rechts und links vorn je eine schlechtschließende Tür. Im linken Proszenium eine zerrissene graue Matratze. Rechts vorn ein wackliger Blumentisch, auf dem eine Flasche und eine qualmende Petroleumlampe stehen. Rechts hinten in der Ecke eine alte Chaiselongue; neben der Mitteltür ein durchsessener Strohsessel. Man hört den Regen aufs Dach schlagen; unter der Dachluke steht eine mit Wasser gefüllte Schale. Vorn auf der Matratze liegt SCHIGOLCH in langem grauen Paletot. Auf der Chaiselongue in der Ecke liegt ALWA SCHÖN , in einen Plaid gewickelt, dessen Riemen über ihm an der Wand hängt.
    SCHIGOLCH
    Der Regen trommelt zur Parade.
    ALWA
    Ein stimmungsvolles Wetter für ihr erstes Auftreten! – Mir träumte eben, wir dinierten zusammen in den Olympia-Sälen. Bianetta war noch mit dabei. Das Tischtuch triefte auf allen vier Seiten von Champagner.
    SCHIGOLCH
    Yes, yes – und mir träumte von einem Weihnachtspudding.
    ( LULU , in halblangem Haar, das ihr offen über die Schultern fällt, erscheint barfuß, in abgerissenem schwarzen Kleide in der Türe rechts vorn.)
    SCHIGOLCH
    Wo bleibst du denn, mein Kind? – Du hast dir wohl erst noch die Haare gebrannt?
    ALWA
    Sie tut das nur, um alte Erinnerungen aufzufrischen.
    LULU
    Wenn man sich an einem von euch wenigstens etwas wärmen könnte!
    ALWA
    Willst du denn deine Pilgerfahrt barfuß antreten?
    SCHIGOLCH
    Der erste Schritt kostet immer allerhand Ächzen und Stöhnen. Vor zwanzig Jahren war das um kein Haar besser; und was hat sie seitdem gelernt! Die Kohlen müssen nur erst angefacht sein. Wenn sie acht Tage dabei ist, halten sie keine zehn Lokomotiven mehr in unserer ärmlichen Dachkammer.
    ALWA
    Die Schüssel läuft schon über.
    LULU
    Wo soll ich denn hin mit dem Wasser?
    ALWA
    Gieß es zum Fenster hinaus.
    LULU (steigt auf einen Stuhl und leert die Schale durch die Dachluke hinaus)
    Es scheint doch, der Regen will endlich nachlassen.
    SCHIGOLCH
    Du vertrödelst die Stunde, wo die Kommis vom Abendessen nach Hause gehen.
    LULU
    Wollte Gott, ich läge schon irgendwo, wo mich kein Fußtritt mehr weckt!
    ALWA
    Das wünschte ich mir auch. Wozu dieses Leben noch in die Länge ziehen! Lasst uns lieber heute Abend noch in Frieden und Eintracht zusammen verhungern. Es ist ja doch die letzte Station.
    LULU
    Warum gehst denn du nicht hin und schaffst uns was zu essen?! Du hast in deinem ganzen Leben noch keinen Pfennig verdient!
    ALWA
    Bei diesem Wetter, bei

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