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Lulu

Lulu

Titel: Lulu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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befriedigt sehen; du musst ihn beschwören, dass er sich deiner erbarme.
    DIE GESCHWITZ
    Und morgen?
    LULU
    Ich erwarte dich, mein Herz. Ich werde die Augen nicht aufschlagen, bevor du kommst. Ich sehe keine Kammerfrau, ich empfange keinen Friseur, ich werde die Augen nicht aufschlagen, bevor du bei mir bist.
    DIE GESCHWITZ
    Dann lass ihn kommen.
    LULU
    Aber du musst dich ihm an den Hals werfen, mein Lieb! Hast du die Hausnummer noch?
    DIE GESCHWITZ
    376 . – Jetzt aber rasch!
    LULU (ruft ins Speisezimmer)
    Darf ich bitten, mein Liebling?
    RODRIGO (kommt aus dem Speisezimmer)
    Die Damen entschuldigen, dass ich das Maul voll habe.
    DIE GESCHWITZ (ergreift seine Hand)
    Ich bete Sie an! Erbarmen Sie sich meiner Not!
    RODRIGO
    A la bonne heure! Besteigen wir das Schafott!
    (Er bietet der Gräfin Geschwitz den Arm und verlässt mit ihr den Salon.)
    LULU
    Gute Nacht, meine Kinder! (Sie begleitet das Paar auf den Korridor hinaus und kommt gleich darauf mit Bob zurück.) Rasch, rasch, Bob! Wir müssen noch diesen Augenblick fort! Du begleitest mich! Aber wir müssen die Kleider wechseln.
    BOB (kurz, hell)
    Wie die gnädige Frau befehlen!
    LULU (ihn bei der Hand nehmend)
    Ach was, gnädige Frau! Du gibst mir deine Kleider und ziehst meine Kleider an. Komm!
    (Lulu und Bob ins Speisezimmer ab. Im Spielzimmer entsteht Lärm; die Türen werden aufgerissen. Puntschu, Heilmann, Alwa, Bianetta, Magelone, Kadidja und Ludmilla Steinherz kommen in den Salon.)
    HEILMANN (ein Wertpapier in der Hand, auf dessen Titelkopf ein Alpenglühen zu sehen ist, zu Puntschu)
    Wollen Sie wohl diese Jungfrauaktie akzeptieren, mein Herr!
    PUNTSCHU
    Aber das Papier hat keinen Kurs, lieber Freund.
    HEILMANN
    Sie Spitzbube! Sie wollen mir einfach keine Revanche geben!
    MAGELONE (zu Bianetta)
    Verstehen Sie vielleicht etwas von dem, was hier los ist?
    LUDMILLA STEINHERZ
    Puntschu hat ihm all sein Geld abgenommen und jetzt gibt er das Spiel auf.
    HEILMANN
    Jetzt kriegt er kalte Füße, der Saujude!
    PUNTSCHU
    Wieso gebe ich das Spiel auf? Wieso krieg’ ich kalte Füße? Der Herr soll doch nur einfach bares Geld setzen! Bin ich hier in meiner Wechselstube? Seinen Wisch kann er mir ja morgen früh anbieten!
    HEILMANN
    Einen Wisch nennen Sie das? – Die Aktie steht meines Wissens auf 210 .
    PUNTSCHU
    Gestern stand sie auf 210 , da haben Sie recht. Heute steht sie überhaupt nicht mehr. Und morgen finden Sie gar nichts Billigeres und Geschmackvolleres zur Tapezierung Ihres Treppenhauses.
    ALWA
    Wie ist denn das möglich?! – Dann wären wir ja auf dem Pflaster!
    PUNTSCHU
    Was soll denn ich erst sagen, der ich mein ganzes Vermögen dabei verliere! Morgen früh habe ich das Vergnügen, den Kampf um eine gesicherte Existenz zum sechsunddreißigsten Mal aufzunehmen!
    MAGELONE (sich vordrängend)
    Aber träum’ ich denn, oder hör’ ich nicht recht?! Die Jungfrauaktien sollen gesunken sein??
    PUNTSCHU
    Noch tiefer gesunken als Sie! – Sie können sie auch beim Lockenbrennen verwerten!
    MAGELONE
    O du allmächtiger Gott! Zehn Jahre Arbeit! (Sie sinkt in Ohnmacht.)
    KADIDJA
    Wach auf, Mama! Wach auf!
    BIANETTA
    Sagen Sie, Herr Puntschu, wo werden Sie heute zu Abend essen, weil Sie doch Ihr ganzes Vermögen verloren haben?
    PUNTSCHU
    Wo es Ihnen beliebt, mein Fräulein! Führen Sie mich, wohin Sie wollen; aber rasch! Hier wird es jetzt fürchterlich.
    (Puntschu und Bianetta verlassen den Salon.)
    HEILMANN (ballt seine Aktie zusammen und wirft sie zu Boden)
    Das hat man von dem Pack!
    LUDMILLA STEINHERZ
    Warum spekulieren Sie auch auf die Jungfrau? Schicken Sie doch einige kleine Notizen über die Gesellschaft hier an die deutsche Polizei, dann gewinnen Sie schließlich doch noch was dabei.
    HEILMANN
    Ich habe das noch nie in meinem Leben versucht, aber wenn Sie mir dabei behilflich sein wollen …?
    LUDMILLA STEINHERZ
    Lassen Sie uns in ein Restaurant gehen, das die ganze Nacht geöffnet ist. Kennen Sie den »Fünffüßigen Hammel«?
    HEILMANN
    Ich bedaure sehr –
    LUDMILLA STEINHERZ
    Oder »Das Saugkalb« oder den »Rauchenden Hund«? – Das liegt alles hier in der Nähe. Wir sind dort ganz unter uns. Bis zum Morgengrauen haben wir einen kleinen Artikel fertig.
    HEILMANN
    Schlafen Sie denn nicht?
    LUDMILLA STEINHERZ
    O gewiss; aber doch nicht bei Nacht! (Heilmann und Ludmilla Steinherz verlassen den Salon durch die Entreetür.)
    ALWA (seit längerer Zeit über Magelone gebeugt, die er aus ihrer Ohnmacht zu wecken sucht)
    Eiskalte Hände hat sie!

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