Lulu
die fürchterlichsten Zustände. Sie windet sich in Krämpfen. Sie ist imstande und springt ins Wasser, wenn du sie noch länger warten lässt.
RODRIGO
Worauf wartet das Vieh denn?
LULU
Auf dich, dass du sie mitnimmst.
RODRIGO
Dann sag’ ihr, ich lasse sie grüßen, und sie soll ins Wasser springen.
LULU
Sie leiht mir zwanzigtausend Mark, um mich vor dem Verderben zu retten, wenn du sie selber davor bewahrst. Wenn du sie heute mit dir nimmst, deponiere ich morgen zwanzigtausend Mark für dich auf irgendeiner Bank.
RODRIGO
Und wenn ich sie nicht mitnehme?
LULU
Dann zeig’ mich an! Alwa und ich sind auf dem Trockenen.
RODRIGO
Himmel, Tod und Wolkenbruch!
LULU
Du machst vier Menschen glücklich, wenn du fünfe gerad sein lässt und dich einem wohltätigen Zweck opferst.
RODRIGO
Das wird nicht gehn; ich weiß es im Voraus. Ich habe das jetzt genug ausprobiert. Wer rechnet bei dem Knochengerüste auch auf solch ein ehrliches Gemüt! Was die Person für mich hatte, war der Umstand, dass sie Aristokratin ist. Mein Benehmen war so gentlemanlike, wie man es bei deutschen Artisten überhaupt nicht findet. Hätte ich sie nur jemals in die Waden gekniffen!
LULU (lauernd)
Sie ist noch Jungfrau.
RODRIGO (seufzend)
Wenn es einen Gott im Himmel gibt, dann werden dir deine Witze noch einmal heimgezahlt! Das prophezeie ich dir!
LULU
Die Geschwitz wartet. Was soll ich ihr sagen?
RODRIGO
Meine ergebenste Empfehlung und ich sei pervers.
LULU
Das werde ich ausrichten.
RODRIGO
Warte noch! – Ist es sicher, dass ich zwanzigtausend Mark von ihr erhalte?
LULU
Frag’ sie selbst!
RODRIGO
Dann sag’ ihr, ich sei bereit. Ich erwarte sie im Speisezimmer. Ich muss nur erst noch eine Tonne Kaviar versorgen.
(Rodrigo geht ins Speisezimmer. Lulu öffnet die Tür zum Spielzimmer und ruft mit heller Stimme: »Martha!«, worauf die Gräfin Geschwitz in den Salon tritt und die Tür hinter sich schließt.)
LULU (vergnügt)
Mein liebes Herz, du kannst mich heute vor dem Tode retten.
DIE GESCHWITZ
Wie kann ich das?
LULU
Wenn du mit dem Springfritzen nach einem Absteigequartier fährst.
DIE GESCHWITZ
Wozu das, mein Lieb?
LULU
Er sagt, du müsstest ihm heute Abend noch angehören, sonst zeigt er mich morgen an.
DIE GESCHWITZ
Du weißt, dass ich keinem Manne gehören kann; ich bin von meinem Verhängnis nicht dazu bestimmt.
LULU
Wenn du ihm nicht gefällst, dann hat er das mit sich selbst auszumachen. Warum verliebt er sich in dich!
DIE GESCHWITZ
Aber er wird brutal werden wie ein Henkersknecht. Er wird sich für seine Enttäuschung rächen und mir die Schläfen einschlagen. Ich habe das schon erlebt. – Ist es nicht möglich, dass du mir diese schwerste Prüfung ersparst?
LULU
Was gewinnst du dabei, wenn er mich anzeigt?
DIE GESCHWITZ
Ich habe in meinem Vermögen noch so viel, dass wir beide als Zwischendeckpassagiere nach Amerika fahren können. Dort wärst du vor all deinen Verfolgern in Sicherheit.
LULU (vergnügt und munter)
Ich will hier bleiben; ich kann in keiner anderen Stadt mehr glücklich sein. Du musst ihm sagen, dass du ohne ihn nicht leben kannst. Dann fühlt er sich geschmeichelt und wird lammfromm. Du musst auch den Kutscher bezahlen. Gib dem Kutscher diesen Zettel; da steht die Adresse drauf. Nummer 376 ist ein Hotel sechsten Ranges, in dem man dich mit ihm heute Abend erwartet.
DIE GESCHWITZ
Wie soll dir eine solche Ungeheuerlichkeit das Leben retten? – Ich verstehe das nicht. – Du hast, um mich zu martern, das furchtbarste Verhängnis heraufbeschworen, das über mich Geächtete hereinbrechen kann.
LULU (lauernd)
Vielleicht heilt dich die Begegnung!
DIE GESCHWITZ (seufzend)
O Lulu, wenn es eine ewige Vergeltung gibt, dann möchte ich nicht für dich einstehen müssen! Ich kann mich nicht darein finden, dass kein Gott über uns wacht. Und doch wirst du wohl recht haben, dass es nichts damit ist. Denn womit habe ich unbedeutender Wurm seinen Zorn gereizt, um nur Entsetzen zu erleben, wo die ganze lebendige Schöpfung vor Seligkeit die Besinnung verliert!
LULU
Du hast dich nicht zu beklagen. Wenn du glücklich wirst, dann bist du hundert und tausendmal glücklicher, als es einer von uns gewöhnlichen Sterblichen jemals wird.
DIE GESCHWITZ
Das weiß ich auch; ich beneide niemanden! Aber ich warte noch darauf. Du hast mich nun schon so oft betrogen.
LULU
Ich bin dein, mein Liebling, wenn du den Springfritzen bis morgen beruhigst. Er will nur seine Eitelkeit
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