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Lulu

Lulu

Titel: Lulu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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gerne ihre Füße unter unseren Tisch strecken?
    LULU (tonlos)
    Ich gehe wieder hinunter!
    DIE GESCHWITZ
    Wo willst du in dem Aufzug hin? – Ich komme trotzdem nicht ganz mit leeren Händen. Ich bringe dir etwas anderes. Auf dem Wege hierher bot mir ein Trödler noch zwölf Schillinge dafür. Ich brachte es nicht übers Herz, mich davon zu trennen. Aber du kannst es verkaufen, wenn du willst.
    SCHIGOLCH
    Was haben Sie denn da?
    ALWA
    Lassen Sie doch mal sehen. (Er nimmt ihr die Leinwandrolle ab und entrollt sie, sichtlich erfreut.) Ach ja, mein Gott, das ist ja Lulus Porträt!
    LULU (aufschreiend)
    Und das bringst du Ungeheuer hierher? – Schafft mir das Bild aus den Augen! Werft es zum Fenster hinaus!
    ALWA (plötzlich wie neu belebt, sehr vergnügt)
    Warum nicht gar! Diesem Porträt gegenüber gewinne ich meine Selbstachtung wieder. Es macht mir mein Verhängnis begreiflich. Alles wird so sonnenklar, was wir erlebt haben. (Etwas elegisch.) Wer sich diesen blühenden, schwellenden Lippen, diesen großen unschuldsvollen Kinderaugen, diesem rosig-weißen strotzenden Körper gegenüber in seiner bürgerlichen Stellung sicher fühlt, der werfe den ersten Stein auf uns.
    SCHIGOLCH
    Man muss es annageln. Es wird einen ausgezeichneten Eindruck auf unsere Kundschaft machen.
    ALWA (sehr geschäftig)
    Da drüben steckt schon ein Nagel dafür in der Wand.
    SCHIGOLCH
    Wie kommen Sie denn zu der Akquisition?
    DIE GESCHWITZ
    Ich habe es damals in eurer Wohnung heimlich aus der Wand geschnitten, nachdem ihr fort wart.
    ALWA
    Schade, dass am Rande die Farbe abgeblättert ist! Sie haben es nicht vorsichtig genug aufgerollt. (Er befestigt das Bild mit dem oberen Rande an einem Nagel, der in der Wand steckt.)
    SCHIGOLCH
    Es muss unten noch einer durch, wenn es halten soll. Die ganze Etage bekommt ein eleganteres Aussehen.
    ALWA
    Lasst mich nur, ich weiß schon, wie ich es mache. (Er reißt verschiedene Nägel aus der Wand, zieht sich den linken Stiefel aus und schlägt die Nägel mit dem Stiefelabsatz durch den Rand des Bildes in die Mauer.)
    SCHIGOLCH
    Es muss nur erst wieder eine Weile hängen, um richtig zur Geltung zu kommen. Wer sich das angesehen hat, der bildet sich nachher ein, er sei in einem indischen Harem.
    ALWA (seinen Stiefel wieder anziehend, sich stolz aufrichtend)
    Ihr Körper stand auf dem Höhepunkt seiner Entfaltung, als das Bild gemalt wurde. Die Lampe, liebes Kind! Mir scheint, es ist außergewöhnlich stark nachgedunkelt.
    DIE GESCHWITZ
    Es muss ein eminent begabter Künstler gewesen sein, der das gemalt hat!
    LULU (wieder vollkommen ruhig mit der Lampe vor das Bild tretend)
    Hast du ihn denn nicht gekannt?
    DIE GESCHWITZ
    Nein; das muss lange vor meiner Zeit gewesen sein. Ich hörte nur zuweilen noch abfällige Bemerkungen von euch darüber, dass er sich in seinem Verfolgungswahn den Hals abgeschnitten habe.
    ALWA (das Porträt mit Lulu vergleichend)
    Der kindliche Ausdruck in den Augen ist trotz allem, was sie seitdem erlebt hat, noch ganz derselbe. (In freudiger Erregung.) Aber der frische Tau, der die Haut bedeckt, der duftige Hauch vor den Lippen, das strahlende Licht, das sich von der weißen Stirne aus verbreitet, und diese herausfordernde Pracht des jugendlichen Fleisches an Hals und Armen …
    SCHIGOLCH
    Das alles ist mit dem Kehrichtwagen gefahren. Sie kann mit Selbstbewusstsein sagen: Das war ich mal! Wem sie heute in die Hände gerät, der macht sich keinen Begriff mehr von unserer Jugendzeit.
    ALWA (munter)
    Gott sei Dank merkt man den fortschreitenden Verfall nicht, wenn man fortwährend miteinander verkehrt. (Leicht hinwerfend.) Das Weib blüht für uns in dem Moment, wo es den Menschen auf Lebenszeit ins Verderben stürzen soll. Das ist nun einmal so seine Naturbestimmung.
    SCHIGOLCH
    Unten im Laternenschimmer nimmt sie es noch mit einem Dutzend Straßengespenster auf. Wer um diese Zeit noch eine Bekanntschaft machen will, der sieht überhaupt mehr auf Herzenseigenschaften als auf körperliche Vorzüge. Er entscheidet sich für das Paar Augen, aus denen am wenigsten Diebsgelüste funkeln.
    LULU (ebenso vergnügt wie Alwa)
    Ich werde es ja sehen, ob du recht hast. Adieu.
    ALWA (in jähem Zorn)
    Du gehst nicht mehr hinunter, so wahr ich lebe!
    DIE GESCHWITZ
    Wo willst du hin?
    ALWA
    Sie will sich einen Kerl heraufholen.
    DIE GESCHWITZ
    Lulu!
    ALWA
    Sie hat es heute schon einmal getan.
    DIE GESCHWITZ
    Lulu, Lulu, ich gehe mit, wohin du gehst!
    SCHIGOLCH
    Wenn Sie Ihre Knochen auf Zinsen legen

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