Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
klopfendem Herzen streifte ich mein zerschlissenes Krankenhausnachthemd
ab. Darunter trug ich nichts. Ob er mich beobachtete? Warum war ich nicht auf
die Toilette gegangen, um meine Kleidung zu wechseln? Oder hatte ihn auf den Gang
geschickt? Wollte ich vielleicht sogar, dass er mich sah?
Ich
schüttelte so heftig den Kopf, als würde ich eine Fliege verscheuchen wollen. Das
alles war doch vollkommen lächerlich.
Meine
Finger bebten leicht, sodass es mir schwer fiel, die Knöpfe des Hemdes zu
schließen, doch schließlich hatte ich es geschafft. Rasch stieg ich in die
graue Jogginghose, die mir unförmig um die Hüften schlabberte. Ich wandte mich
um und sah, dass Kiro mir folgsam den Rücken zugedreht hatte. Ein kleiner Stich
der Enttäuschung durchfuhr mich, doch nur für einen Augenblick, dann kam die Erleichterung.
»Du kannst wieder hinsehen«, verkündete ich.
Kiro
tat, wie ihm geheißen. Ich bemerkte, dass er noch immer dasselbe Hemd wie zuvor
in den Händen hielt.
»Du
scheinst bei deiner Suche nicht besonders erfolgreich gewesen zu sein«, stellte
ich fest und deutete auf das Hemd.
Er
grinste verlegen. »Das war das Beste, was ich finden konnte. Hansen hat einen scheußlichen
Geschmack.«
»Willst
du es nicht anziehen?«
Kiro
blinzelte. »Was?«
»Das
Hemd. Willst du nicht auch deine Kleider wechseln?«
»Oh.
Natürlich.« Für einen kurzen Moment bekamen Kiros blasse Wangen ein wenig
Farbe.
Ich
drehte mich demonstrativ um und hörte kurz darauf, wie Stoff zu Boden fiel.
Meine Augen wanderten zu dem Spiegel, der direkt vor mir an der Wand hing, und
ein wohliger Schauer lief durch meine Glieder, als ich darin Kiros entblößten Rücken
entdeckte, den sein weißblondes Haar zu einem Viertel verdeckte. Als er die
Arme streckte, um sich das Hemd überzuziehen, sah ich die geschmeidige Bewegung
seiner Muskeln an den Schulterblättern, und der Atem stockte mir.
Ruckartig
wandte ich mich ab und ließ mich auf die Matratze fallen, um mir hastig die
Decke über den Kopf zu ziehen. Mein eigener Herzschlag war so laut, dass er
sogar meine Gedanken zu übertönen schien.
»Ich
bin so weit«, teilte mir Kiro mit.
»Gut«,
brachte ich erstickt hervor. Das Wort klang nur undeutlich durch die dämpfende
Decke vor meinem Mund.
Für
einige Minuten war nichts zu hören, und ich glaubte schon, dass auch Kiro sich
zu Bett gelegt hätte. »Laura?«, erklang es plötzlich.
»Hm?«
»Schläfst
du?«
»Hm.«
»Du
solltest nicht auf der harten Matratze liegen, schließlich gehörst du immer
noch ins Krankenhaus. Lass uns tauschen, ich habe nichts dagegen, auf dem Boden
zu schlafen.«
»Ich
liege gut hier«, log ich.
»Du
musst dich erholen«, widersprach Kiro sanft. »Und das geht nun einmal nicht auf
dieser flachen, unbequemen Matratze. Bitte, Laura, sei vernünftig. Wenn du es
schon nicht für dich tust, dann tu´s wenigstens für mich.«
Ein
tiefer Seufzer entfloh meiner Brust. Das war eindeutig ein Schlag unter die
Gürtellinie gewesen. Ich schlug die Decke beiseite und setzte mich auf. Kiro
stand mir direkt gegenüber, und seine Augen wanderten von meinem Gesicht an
meinem Hals hinab. Ich räusperte mich unbehaglich und stemmte mich rasch in die
Höhe.
»Es
ist wirklich nicht notwendig …«, setzte ich zu einem letzten Widerstand an,
wobei ich auf meine eigenen nackten Füße starrte.
»Und
ob das nötig ist.« Kiro trat an mich heran, und seine Hand schloss sich um meine.
Langsam, als müssten meine Blicke sich durch Wasser bewegen, wanderten meine
Augen zu seinem Gesicht hinauf, und ich starrte in seine faszinierenden
Pupillen, in denen die schönsten Farben der Natur in einem hypnotisierenden
Wirbel vereint waren. Auf einmal war sein Gesicht so nah an meinem, dass ich
seinen warmen, gleichmäßigen Atem auf meinem nackten Hals spürte, und ich
musste all meine Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht unkontrolliert zu
zittern.
Feuchte Hände , dachte ich vollkommen
widersinniger Weise, er wird merken, dass ich ganz feuchte Hände habe.
Und
plötzlich berührten sich unsere Lippen, und als ich seinen süßen Atem
schmeckte, war mir, als würde ich von innen heraus verglühen.
Ich
hatte noch nicht einmal völlig erfasst, was mit uns geschah, als es bereits
wieder vorüber war. Beinahe hastig wich Kiro vor mir zurück und ließ meine Hand
los, tiefes Schuldbewusstsein in seinem Blick.
»Ich
… es tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist.«
»Schon
gut«, murmelte ich. Noch immer
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