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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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Bewegung schleuderte er das
Stofftier von sich. Irgendwo quietschte eine Ratte protestierend auf, die er
wohl getroffen haben musste. Der Gedanke erfüllte Freudt mit grimmiger Befriedigung.
    »Linda«,
flüsterte er.
    Mit
einer entschlossenen Bewegung wandte er sich von den leeren Betten seiner
Kinder ab. Als er ihr Zimmer verließ, wäre er beinahe über einen Haufen Kleider
gestolpert, die in der Mitte des Raumes verstreut lagen: zwei kleine
Schlafanzüge, einer in Hellblau und einer in Minzgrün. Ein trockenes Würgen
bahnte sich seinen Weg durch Freudts Speiseröhre. Hastig verließ er das Zimmer
und schlug die Tür hinter sich zu.
    Als
er sich auf den nächsten Raum zubewegte, rief er bereits nicht mehr nach seiner
Frau. Was auch immer aus ihr geworden war, mittlerweile wusste Freudt, dass sie
ihm nicht mehr antworten würde können. Er betrat das elterliche Schlafzimmer,
als handelte es sich um eine radioaktiv verstrahlte Zone: mit angehaltenem
Atem, sich auf Zehenspitzen fortbewegend.
    Der
Gestank, der ihn bereits im Flur empfangen hatte, war hier geradezu unerträglich.
Er trieb Freudt die Tränen in die Augen, machte es ihm beinahe unmöglich, den
konstant wachsenden Brechreiz in seinem Rachen zu unterdrücken.
    In
seinem Schlafzimmer, das Linda bei ihrem Einzug in einem schmerzlich kitschigen
Blumenmuster dekorieren hatte lassen, wimmelte es geradezu von den
Nacktschwänzen. Während er bislang nur auf einige wenige verstreute Exemplare
in verschiedenen Bereichen des Hauses gestoßen war, hatte sich hier eine ganze
Meute versammelt. Zu Dutzenden, wenn nicht zu Hunderten scharrten sie sich um
das Ehebett, krochen an den Bettpfosten empor und über die Laken hinweg. Ihre
Menge verdeckte sogar das Blumenmuster des Teppichs.
    »Lind-«,
setzte Freudt an und brach dann abrupt ab. Tränen schossen ihm in die Augen,
und seine Beine gaben unter seinem Gewicht nach. Er tastete noch blindlings
nach der Türschnalle, um sich daran festzuhalten, doch seine Hand glitt
kraftlos daran ab, und er landete hart auf den Knien, inmitten der wuselnden
Rattenleiber, die rasch nach allen Seiten davonstrebten.
    Im
Gegensatz zu den Kindern war Linda nicht verschwunden. Noch immer lag sie im
ehelichen Bett, darauf wartend, dass ihr Mann von der Arbeit nach Hause kam und
sich an sie schmiegte, von seiner Wärme und Nähe träumend. Die Ratten krochen
in Scharen über sie hinweg, sodass Freudt sie im ersten Moment nicht hatte
ausmachen können, und ihr weißes Nachthemd war ihr von den scharfen Klauen und
Zähnen vom Leib gerissen worden. Was darunter zum Vorschein kam, ließ nichts
mehr von ihrer früheren Schönheit erahnen.
    Unendlich
langsam, als hätte jemand Bleigewichte an seinen Gliedmaßen befestigt, stemmte
Freudt sich in die Höhe und bewegte sich auf seine Linda zu. Die Ratten wichen
vor ihm zurück, um nicht unter die Absätze seiner wuchtigen Stiefel zu geraten,
und gaben so gänzlich den Blick auf seine im Schlaf ruhende Frau frei.
    Ein
Schlaf, aus dem sie niemals wieder erwachen würde.
    Als
seine Augen auf ihr ehemals so bezauberndes Antlitz fielen, er die zahlreichen
Bissspuren an ihren Lippen und Lidern entdeckte, die Zähne unnatürlich weiß
durch die Löcher in ihren Wangen hindurchschimmern sah, da wich endgültig jedes
bisschen Kraft aus Freudts Gliedern. Mit einem tiefen Schluchzen brach er über
ihr zusammen, schloss ihren blutgetränkten Leib in eine bebende Umarmung.
    »Linda«,
stieß er atemlos hervor. »Meine Linda. Was habe ich dir angetan!«
    Es
dauerte unendlich lange, ehe Freudt wieder zur Besinnung kam. Für Stunden lag
er bei ihr, streichelte ihr Haar, den scharfen Gestank ignorierend, den die
Biester mitgebracht hatten und der sich nun für immer in den Laken festgefressen
hatte. Dabei stammelte er sinnlose Worte, trockenen Auges, aber innerlich
zerrissen, ein gebrochener Mann ohne Familie und ohne Zukunft.
    Als
er sich schließlich aufrichtete, war es beinahe Morgen. Die Dämmerung ließ
Pfützen von Blut auf dem geblümten Teppich unter seinen Füßen entstehen, schuf
neue Schatten, ehe das Licht die Dunkelheit gänzlich besiegen konnte. Die
Ratten waren mittlerweile nicht mehr zu sehen, sie hatten sich einen
Unterschlupf für den Tag gesucht.
    Mit
starrem Gesicht begann Freudt sein trauriges Werk. Mechanisch wickelte er die
Leiche in die Laken ein, auf denen sie gelegen hatte, wobei er all seine
Konzentration aufwandte, sie nicht anzusehen. Er arbeitete sehr akkurat, bis er
ein festes Bündel

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