Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
freilegte als verbarg.
»Ich
werde sehen, ob ich etwas Passendes für euch zum Anziehen finde. Morgen früh
wecke ich euch pünktlich bei Sonnenaufgang, und dann macht ihr, dass ihr hier
rauskommt. Roma locuta, causa finita.«
Und
damit machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
»Was
hat er denn plötzlich mit Rom?«, fragte ich.
Kiro
zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
»Weißt
du was?«
»Was?«
»Allmählich
beginne ich, diesen Mann zu mögen.«
Kiro
sah mich überrascht an. »Im Ernst?«
Ich
lachte laut auf. »Nein.«
Fünf Minuten später
hatte Hansen uns auf sein Gästezimmer verfrachtet, wo abgesehen von dem
einzelnen Bett, das bereits vorhanden gewesen war, eine Matratze zur Verfügung
stand, die unser Gastgeber wider Willen ans gegenüberliegende Ende des Zimmers
geschoben hatte, noch dazu in eine Position, die es unmöglich machte, auf das
andere Bett hinüberzusehen. Auf beiden Schlafmöglichkeiten lagen Kissen und
Decke lieblos übereinandergeworfen, doch dieser Anschein von Unordentlichkeit
konnte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Laken angenehm nach
Waschmittel dufteten, als ich mich später darauf ausstreckte.
Im
Augenblick allerdings bemerkte ich davon noch nichts. Stattdessen erfasste mein
Auge den kleinen Spiegel, der an der Wand des Zimmers hing, sowie einen Haufen
alter Kleider in der Mitte des Raumes, der hauptsächlich aus Jogginghosen und
einfachen, geschmacklosen Hemden bestand. Es war wahrlich ein entzückender
Anblick, und selbst, wenn Hansen ein schüchternerer Mensch gewesen wäre und uns
nicht in aller Deutlichkeit klargemacht hätte, dass wir unerwünscht waren – spätestens
jetzt hätten wir es begriffen.
»Falls
die Natur rufen sollte: Den Gang hinunter, dritte Tür links ist die Toilette«, sagte
Hansen barsch, nachdem er uns ein paar Sekunden Zeit gelassen hatte, um sein
Werk auf uns wirken zu lassen. »Wenn ihr sonst noch etwas brauchen solltet,
belästigt eure Erzieher. Ich möchte heute unter gar keinen Umständen mehr
gestört werden.«
Und
damit warf er die Tür ins Schloss und entfernte sich mit energischen Schritten.
»Ihnen
auch eine gute Nacht«, bemerkte ich sarkastisch. »Dieser Mann ist ein Sonnenschein.«
»So
war er schon immer«, seufzte Kiro, während er in die Hocke ging, um sich durch
den Kleiderhaufen zu wühlen. »Ob es wohl zu viel verlangt wäre, nach der Dusche
zu fragen? Nach dem heutigen Tag könnte ich ein wenig warmes Wasser auf meiner
Haut gut gebrauchen.«
»Ich
verstehe dich, aber ich fürchte, wenn wir Hansen noch einmal belästigen, wird
er nicht mehr bis zum Morgen warten, um uns vor die Tür zu setzen. Was ist nur
los mit diesem Menschen? Ob es ihm wirklich gleichgültig ist, wenn wir auf
offener Straße irgendwelchen Wahnsinnigen in die Hände fallen?«
»Das
ist eine Frage, die ich dir wirklich nicht beantworten kann«, seufzte Kiro. Mit
den Fingerspitzen hatte er ein in Brauntönen gestreiftes Hemd hochgehoben, das
er nun skeptisch musterte. »Er ist meist grob und verletzend. Oft habe ich den
Eindruck, als behandelte er die ganze Welt wie eine große Last, die man
unerlaubterweise auf seinen Schultern abgeladen hat, und im Grunde halte ich ihn
für das größte Ekel – aber man sagt ihm auch nach, dass er ein kompetenter Arzt
sein soll, der seinen Job verdammt gut macht.«
Er
hielt mir das Hemd unter die Nase.
»Ob
mir das steht?«
»Ich
glaube nicht, dass das zur Farbe deiner Augen passt«, scherzte ich. »Versuch es
lieber damit.«
Ich
warf ihm etwas Blaues zu.
Kiro
schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin eher ein Herbsttyp. Aber an dir würde das
bestimmt umwerfend aussehen. So wie so ziemlich alles.«
Unvermittelt
schoss mir die Röte ins Gesicht, und auch Kiro senkte verlegen den Blick, als
ihm bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte. Ohne ihn anzusehen, nahm ich ihm
das blaue Hemd ab, krallte mir wahllos eine Hose und verzog mich auf die andere
Seite des Raumes.
»Hast
du etwas dagegen, wenn ich mich gleich hier umziehe?«, fragte ich, ihm den
Rücken zuwendend und mit hochrotem Kopf in eine Ecke des Zimmers starrend.
»Natürlich
nicht, wie du möchtest«, erklang Kiros Stimme hinter mir.
»Aber
nicht gucken, ja?«
»Wo
denkst du hin? Ich habe hier alle Hände voll damit zu tun, ein paar
Kleidungsstücke zu finden, die nicht meinem Großvater gehören könnten.« Ein
heiseres Lachen wallte hoch und verstummte ebenso plötzlich wieder.
Mit
hart
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