Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Vielleicht lag das daran, dass es eine Tätigkeit war, die sie nicht unter Druck setzte. Ihr blieb viel Zeit zum Nachdenken. Sie gehörte nicht zu den Menschen, die ständig mehrere Eisen im Feuer hatten. Das hatte sie einmal geglaubt, vielleicht weil sie gerne eine aktive junge Frau hatte sein wollen. Das war in ihrer Generation selbstverständlich. Man sollte ranklotzen und dazwischen relaxen. Ihr Organismus eignete sich jedoch nur für einen gleichmäßigeren Trott.
Sie wollte sich gerade in Fantasien über M. ergehen und meinte, schon den Schauer bei seiner Berührung zu spüren, als sie eine Frau erblickte, die sich langsam der Tür näherte. Sie bewegte sich mit durchgedrücktem Kreuz, weil sie hochschwanger war. Annelie kannte sie. Es war Veronika Lundborg, die die Tür öffnete und schwer atmend in den Laden trat.
»Ich hatte einen Teppich zur Reparatur abgegeben«, sagte sie und ließ sich sofort auf den deutschen Chippendale-Stuhl sinken, der praktischerweise direkt neben der Tür stand.
Annelie wusste genau, um welchen Teppich es ging, einen abgetretenen, aber sehr schönen Sivas aus Zentralanatolien.
»Ist er fertig?«
»Nein, leider nicht.«
»Das macht nichts. Ich war gerade in der Gegend und dachte, dass ich genauso gut mal nachfragen kann.«
Annelie nickte. Sie bezweifelte, dass eine so hochschwangere Frau freiwillig auch nur einen überflüssigen Schritt tat. Veronika Lundborg saß wie eine übermäßig aufgeblasene Plastikpuppe auf dem Stuhl. Annelie versuchte, nicht auf ihren Bauch zu starren, der ebenso unmöglich zu ignorieren war wie eine hochrote oder blaue Nase. Er hatte aber auch etwas Anziehendes. Annelie hatte sich dieser Art körperlicher Deformierung noch nicht ausgesetzt gesehen. Leider.
Veronika saß eine halbe Minute reglos da und starrte an die Wand.
»Schönes Geschäft«, sagte sie.
»Ja, nicht wahr«, erwiderte Annelie lächelnd.
»Hier könnte man gut sitzen bleiben, aber ich denke, ich gehe gleich wieder. Sie rufen mich an, wenn der Teppich da ist?«
Annelie versprach es, und Veronika stand ächzend von ihrem Stuhl auf, wankte durch die Tür und hatte gerade die beiden Treppenstufen überwunden, als ihr auf dem Gehsteig ein Mann entgegenkam, der in den Laden wollte.
Die Tür öffnete sich erneut.
Mein Gott, was für ein Gerenne!, dachte Annelie. Vor ihr stand ein Mann mit auffallend hellblauen Augen.
»Ist Carl-Ivar Olsson da?«, fragte er, ohne zu lächeln.
Veronika hielt auf dem Lilla Torget inne und setzte sich ihre neue Sonnenbrille auf. Eine Ray-Ban, das klassische Modell Wayfarer, das wieder in Mode gekommen war und ihr gut stand.
Sie ging auf die Fußgängerzone Flanaden zu. Der Besuch im Teppichgeschäft war vollkommen sinnlos gewesen, aber trotzdem nett. Wenn Claes und Klara nicht so saumselig gewesen wären, wäre sie nicht dorthin gegangen. Aber sie hatte das Gefühl gehabt, so lange auf der Bank auf der Flanaden gesessen zu haben, dass die Passanten vermutlich schon dachten, sie sei ihr Wohnsitz.
Auf der Västra Torggatan traf sie Birgitta Olsson und erzählte ihr, wo sie gerade herkam.
»Carl-Ivar ist in der Türkei«, sagte Birgitta Olsson.
Deswegen also. Sie unterhielten sich eine Weile. Veronika taten ihre geschwollenen Beine weh. Birgitta Olsson, die mindestens fünfzehn Jahre älter war als sie, war eine sehnige und schlanke Frau und hatte vermutlich eine bessere Kondition als selbst eine unschwangere Veronika. Sie gehörte zu denjenigen, die jedes Jahr am Tjejmilen, dem Zehnkilometerlauf für Frauen, teilnahmen und das tun würde, bis sie tot umfiel.
»Man muss den Tag genießen«, sagte Birgitta plötzlich und lächelte, wobei ihre Lachfältchen ausgezeichnet zur Geltung kamen.
»Das tue ich auch«, lachte Veronika und fand es seltsam, dass gewisse Leute solche Gemeinplätze vollkommen überzeugend rüberbringen konnten.
»Wann ist es so weit?«, wollte Birgitta dann in einem mütterlichen Tonfall wissen, bei dem es Veronika ganz warm wurde.
»In einer Woche. Kaiserschnitt in Kalmar.«
»Wunderbar. Dann hast du ja bald alle Hände voll zu tun. Viel Glück!«
Schwester Birgitta nickte und verschwand in dem Sportgeschäft an der Ecke, in dem sie neue Joggingschuhe kaufen wollte.
Die Bank auf der Flanaden war mittlerweile leider besetzt, und Veronika musste sich eine andere etwas weiter östlich suchen, dort wo die Flanaden die Östra Torggatan kreuzte und in die Besvärsgatan mit ihrem Kopfsteinpflaster und ihren schiefen,
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