Luzifers Hammer
an. »Wo wollen Sie hin?« »Ich weiß nicht. Nach Norden, nehm’ ich an.«
»Können Sie ein paar Kinder mitnehmen?«
»Schon, aber wir haben nichts zu essen …«
»Wer hat schon was?« fragte der Ranger. »Vielleicht sollten Sie bei uns bleiben. Wir könnten alle miteinander losziehen.«
»Wahrscheinlich haben kleinere Gruppen eine größere Chance als große. Und außerdem möchten wir nicht bei Ihnen bleiben«, sagte Tim. Er sah es ungern, sich mit Kindern belasten zu müssen, aber offensichtlich konnte er sich der Mitverantwortung nicht entziehen.
Außerdem war es das einzig Richtige, was man tun konnte.
Das hatte er mal irgendwo gelesen: bei jeder ethischen Entscheidung ist das, was man am wenigsten tun möchte, vermutlich das Richtige, oder so ähnlich.
Der Ranger ging und kam nach einigen Minuten mit vier kleinen Kindern wieder, das älteste, ein Junge, war höchstens sechs Jahre. Sie waren sauber und gut angezogen und sehr verschüchtert. Eileen packte sie auf den Rücksitz des Wagens und setzte sich nach hinten, um in ihrer Nähe zu sein.
Der Ranger überreichte Tim ein Blatt, das er seinem Notizbuch entnommen hatte. Auf dem Blatt standen vier Namen und Adressen. »Die Kinder wohnen dort.« Seine Stimme wurde leiser. »Wenn Sie vielleicht die Eltern finden können …«
»Tja«, sagte Tim. »Wir werden’s versuchen.« Er ließ den Wagen an. Es war das erste Mal, daß er ihn überhaupt fuhr. Die Kupplung war sehr hart.
»Ich heiße Eileen«, hörte er aus dem Fond. »Und das ist Tim.«
»Wo fahren wir hin?« fragte das Mädchen. Sie wirkte sehr klein und hilflos, aber sie weinte nicht wie die Buben. »Bringen Sie uns zu unserer Mutter?«
Tim warf einen Blick auf den Zettel. Laurie Malcolm, bei einem Ausflug mit der Kirchengemeinde, und der Name der Mutter. Der Name des Vaters war nicht vermerkt. Adresse der Mutter: Long Beach. Guter Gott, was konnte man da sagen?
»Können wir nach Hause?« fragte einer der Jungs, bevor Eileen überhaupt etwas sagen konnte.
Wie kann man einem Sechsjährigen klarmachen, daß sein Zuhause weggespült wurde? Oder einem kleinen Mädchen, daß seine Mutter …
»Wir werden dort den Berg hinauffahren«, sagte Eileen aufmunternd. Sie zeigte auf die nahe liegenden Berge. »Und wenn wir dort oben sind, werden wir auf deine Mutti warten …«
»Aber was ist denn los?« fragte der Bub. »Alle waren so erschrocken. Reverend Tilly wollte es uns nicht zeigen, aber er war erschrocken.«
»Das war der Komet«, erklärte Laurie feierlich. »Hat er Long Beach getroffen, Eileen? Darf ich dich Eileen nennen? Reverend Tilly sagt, man darf Erwachsene nicht mit dem Vornamen ansprechen. Niemals.«
Tim bog in die Nebenstraße ein, die zum Observatorium hinaufführte. Bereits vor langer Zeit hatte er die alte Straße an den schlimmsten Stellen mit Kies und Beton geflickt. Der Schlamm war dick, aber dem Blazer machte es keine Schwierigkeiten. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern. Dann hatten sie zu essen und brauchten nicht mehr weiterzulaufen. Die Lebensmittel würden natürlich nicht für unbegrenzte Zeit reichen, aber es war noch früh genug, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wenn sie erst da waren. Jetzt war das Observatorium ein Zuhause, ein Hafen, ein vertrauter Ort, mit Wärme, trockener Kleidung und einer Dusche. Ein sicherer Ort, um sich zu verkriechen, während die Welt unterging.
Der Blazer war nun nicht mehr neu und glänzend. Die Flanken waren von herabgestürzten Felsen verschrammt und über und über mit Schlamm bedeckt. Aber er nahm die schlüpfrige Straße wie eine Autobahn, kletterte über Steinschläge und kämpfte sich durch tiefe Pfützen. Tim hatte noch nie einen solchen Wagen besessen. Er hatte das Gefühl, mit diesem Auto überall hinfahren zu können, wohin er nur wollte. Und er hatte sie heimgeholt. Nur noch eine Biegung, eine einzige Biegung, und sie waren in Sicherheit …
Das Betongebäude war unbeschädigt, und die Holzgarage außerhalb des Hauses ebenfalls. Das Garagendach war etwas eingesunken und stand etwas schief, doch außer Tim fiel es keinem auf. Die Kuppel über dem Fernrohr war geschlossen, und die Jalousien an den Fenstern des Hauptgebäudes waren alle dort, wo sie hingehörten.
»Wir sind da!« rief Tim. Er mußte schreien. Eileen sang mit den Kindern auf dem Rücksitz. » There is a hair on the wart on the … «
»Da ist es! Wir sind in Sicherheit! Zumindest für eine Weile.«
Der Gesang brach ab. »Es scheint in Ordnung
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