LYING GAME - Weg bist du noch lange nicht
glatt und kühl an. Mit gerundeten Schultern und vor sich ausgestreckten Armen tastete sich Emma vorwärts. Ihre Hüftknochen stießen gegen die Wände des winzigen Tunnels.
»Gabby?«, rief sie. Ihre Stimme klang dumpf und laut. »Gabby?«, versuchte sie es wieder. Aber Gabby antwortete nicht. War sie ohnmächtig geworden? Hatte sie wieder einen Anfall? War sie tot?
Bei der kleinsten Bewegung rieselten Steinchen auf Emma herunter. Sie drängte sich vorwärts. Staub verstopfte ihre Lungen. Einmal warf sie einen Blick zurück und konnte den winzigen Spalt, durch den sie sich gezwängt hatte, kaum noch erkennen.
Ich quetschte mich mit ihr durch die Höhle, die sich für mich wie ein Sarg anfühlte.
»Gabby?«, schrie Emma wieder. Ihre Knie stießen gegen einen Steinvorsprung. Sie drückte sich zwischen zwei eng beieinanderstehenden Felsbrocken durch und erreichte einen kleinen Hohlraum, in dem sie beinahe aufrecht stehen konnte. »Gabs?«
Immer noch keine Antwort. Wo war sie? Hatten Emmas Ohren ihr einen Streich gespielt?
Plötzlich knallte es laut. Staub wirbelte ihr ins Gesicht und es rauschte in ihren Ohren. Kiesel regneten auf ihren Rücken und ihren Kopf und rollten in ihre Bluse. Das ist ein Erdrutsch , dachte sie, schützte ihren Kopf und legte sich flach auf den Tunnelboden.
Der Lärm dauerte noch ein paar Sekunden an. Als er verebbte, hob Emma vorsichtig den Kopf und schaute sich um. Überall Erde. Sie blickte in die Richtung, aus der sie gekommen war. Der Spalt, durch den sie gekrochen war, existierte nicht mehr. Sie war eingemauert.
»Oh mein Gott«, flüsterte ich.
Panik stieg in Emma auf. »Hilfe!«, schrie sie, aber ihre Stimme wurde von den Höhlenwänden zurückgeworfen und drang nicht weit. »Hilfe!«, schrie sie noch einmal, aber sie wusste, dass es nichts nützen würde. Niemand antwortete ihr. Warum waren Suttons Freundinnen noch nicht wieder da? Warum hörten sie sie nicht?
Sie blickte wieder in den Hohlraum und lauschte angestrengt. Hatte Gabby da wieder gestöhnt? »Gabby?«, flüsterte sie und sah sich hektisch um. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie befürchtete, die Schläge könnten einen weiteren Erdrutsch auslösen. Ihre Augen spielten ihr einen Streich, denn sie begann Dinge zu sehen, die nicht hier sein konnten. Einen Stuhl. Eine sitzende Gestalt. Ein an der Felswand lehnender Tennisschläger. Ihr schwirrte der Kopf, offensichtlich bekam sie hier zu wenig Sauerstoff.
Und dann packte eine kalte, starke Hand Emma am Handgelenk.
Sie schrie auf und versuchte, sich loszureißen, aber die Hand hielt sie fest. Im Schein einer schwachen Taschenlampe sah sie den unteren Teil eines Mädchengesichtes. »G… Gabby?«, stammelte Emma.
Die Gestalt vor ihr lächelte. Aber diese Lippen gehörten nicht Gabby. Emma sog heftig den Atem ein. War das …?
»Hi, Sutton«, sagte das Mädchen und kicherte diabolisch. »Schön, dass du vorbeischaust.«
Die feuchte Luft in ihrem Nacken ließ Emma frösteln. Mit der freien Hand griff sie nach Erde und Felsen, um sich Halt zu verschaffen. »Lili?«, fragte sie mit zitternder Stimme. »W… was machst du denn hier?« Sie hatten sie doch an der Tankstelle zurückgelassen, weil sie nicht mitkommen wollte.
»Komm schon, Sutton«, kicherte Lili. »Du weißt doch genau, warum ich hier bin.«
Die Worte trafen Emma wie ein Blitzschlag. Auf einmal verstand sie, was hier vorging. Gabbys und Lilis Streit, Gabbys Sturz, Lilis Stöhnen in der Höhle und die einstürzenden Wände – all das hatten Gabby und Lili geplant, um Emma alleine hierherzulocken. Sie waren nicht sauer aufeinander. Gabby war nicht verletzt. Die Twitter-Zwillinge wussten, dass Emma in die Höhle kriechen würde, um das Mädchen zu retten, das sie ihrer Meinung nach gestoßen hatte – weil sie nicht Sutton war und vor Schuldgefühlen beinahe umkam. Und jetzt hatten sie Emma genau da, wo sie sie haben wollten. Sie hatten Emma schließlich mehrfach gewarnt. Unzählige Male. Spiel weiter Sutton. Halt den Mund. Hör auf zu schnüffeln. Ich meine es ernst. Oder du bist als Nächstes dran.
Sie war ihnen genau in die Falle gelaufen.
»Bitte«, flehte Emma. Ihr Körper zuckte und vor ihren Augen drehte sich alles. Sie hatte das Gefühl, sie würde sich gleich übergeben. »Können wir nicht darüber reden?«
»Was gibt es denn da zu reden?«, fragte Lili leise.
»Bitte lass mich frei«, bettelte Emma und versuchte zurückzuweichen. Lili packte sie fester. »Ich habe Mist gebaut, Lili, das weiß
Weitere Kostenlose Bücher